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Die Beziehungen des Kaisers zu den katholischen Ständen des Reichs haben bisher auffallend wenig Beachtung gefunden, und doch bilden sie ein nicht unwichtiges Moment in dem Ganzen der damaligen Entwicklung. Der Nürnberger Bund hat an sich niemals eine fühlbare Bedeutung gewonnen, aber seine Geschichte besitzt nichtsdestoweniger ein erhebliches Interesse, schon desshalb, weil uns in ihr die Verhältnisse des katholischen Lagers mit voller Anschaulichkeit entgegentreten. Man sollte es doch kaum für möglich halten, dass der Gedanke einer Defensivliga, wie sie Held in des Kaisers und seines Bruders Auftrage betrieb, gerade bei den zunächst betheiligten katholischen Fürsten, bei den Rheinischen Kurfürsten auf die grösste Gleichgültigkeit gestossen sei. So lange man annahm, dass Held ohne und gegen des Kaisers Willen gehandelt habe, war ja dieses Verhalten begreiflich; für uns, die wir den wahren Hergang kennen, ist es höchst erstaunlich. Wir sehen die hohe katholische Geistlichkeit des Reichs auch jetzt noch, wo sie sich doch über die Gefährlichkeit ihrer Lage nicht mehr täuschen konnte, von völliger Apathie gelähmt. Auch der Kurfürst von Mainz konnte dem Bunde ja nur für seine Sächsischen Stifte beitreten. Im ganzen Reiche sind es nur die Baierischen Herzöge, Herzog Georg von Sachsen und Herzog Heinrich von Braunschweig, die Ernst und Entschluss zeigen, ihre täglich bedrohtere Stellung zu vertheidigen, auch sie, wie wir sahen, nicht recht einmüthig, auch sie zum Theil, wie die Baierischen Herzöge, der Aufgabe gegenüber mit getheilten Empfindungen. Diese erstaunliche Lähmung der katholischen Kräfte musste natürlich die kaiserliche Politik empfindlich hemmen. Aber war diese Lähmung nicht auch des Kaisers Werk? Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass er den katholischen Bund gewollt, dass Held in seinem Auftrage gehandelt hat. Aber rechten Glauben, dürfen wir annehmen, hat er an das Gelingen des Unternehmens nie gehabt und dasselbe nie energisch gefördert. Er liess es mehr geschehen, als dass er es ernstlich trieb. Und als dann Held’s Bemühungen mit einem kläglichen Misserfolg endigten, da liess er die Sache kaltsinnig fallen. Die einzigen eifrig katholischen Fürsten des Reichs durften sagen, er habe sie preisgegeben. Ja sie erhoben sogar die Anklage, seine diplomatisirende Politik trage die eigentliche Schuld an der Zerrüttung der Römischen Kirche im Reiche. Der alte Herzog

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 299. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_299.jpg&oldid=- (Version vom 22.1.2023)