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Sohm nicht ausdrücklich S. 39, es habe nach Volksrecht (das doch auch das „allgemeine Rechtsbewusstsein“ repräsentirt) die Marktstadt nicht als Eigenthum des Königs, nicht als Königsburg gegolten, und sagt er nicht S. 41 ausdrücklich, diese volksrechtliche Vorstellung sei gerade im 10. und 11. Jahrhundert herrschend gewesen, habe erst im 12. und 13. Jahrhundert jener amtsrechtlichen Vorstellung Platz gemacht?! Die Bezeichnung urbes regales soll also dem König eigene Städte im Sinne der fraglichen Anschauung bedeutet haben zu der Zeit, als diese nicht herrschte – und doch zugleich auch herrschte –, soll aber diese Bedeutung verloren haben gerade zu der Zeit, als diese Anschauung zur unbedingten Herrschaft gelangt war! Aus diesen sich kreuzenden Widersprüchen wird man mit dem besten Willen keine Stütze für Sohm’s Ansicht gewinnen können, vielmehr wird man veranlasst sein, die Bezeichnung urbes regales in der üblichen Weise aufzufassen als Ausdruck der Thatsache, dass die Marktstädte durch königliches Privileg oder mit Zulassung des Königs gegründet sind, eine Thatsache, die mehr und mehr vergessen wurde, als die Fürsten sich immer häufiger herausnahmen, auf eigene Hand Märkte zu gründen, so dass die Bedeutung von urbes regales sich dann in der bekannten Weise beschränkte.

Es bleibt nur noch eine Position Sohm’s übrig. Er erklärt (S. 41, 43) die bedeutende Aenderung im städtischen Strafrecht, die sich seit dem 12. Jahrhundert durch das Auftreten der peinlichen Strafen an Stelle der Königsbannbusse vollzog, dadurch, dass seit dieser Zeit die amtsrechtliche Anschauung durchgedrungen sei, der zufolge, wie erwähnt, jedes schwere Vergehen in der Stadt als ein Verbrechen im Hause des als anwesend gedachten Königs peinlicher Ahndung unterlag. Wir würden, wie vorhin S. 261, zugeben, dass die Existenz der fraglichen Fiction, wenn ihr auch andere Beweise mangeln, auf diesem Wege wohl erwiesen werden könnte, wenn diese Erklärung einleuchtend, zwingend, unentbehrlich wäre. Keine von diesen Bedingungen trifft jedoch ein. Vor allen Dingen leuchtet nicht ein, bleibt vielmehr räthselhaft, auf welchem Wege diese amtsrechtliche Fiction mit ihren Folgen sich nach so langer Herrschaft der volksrechtlichen Anschauung geltend gemacht haben soll, so dass sie das geltende Strafrecht wesentlich umgestaltete.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 264. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_264.jpg&oldid=- (Version vom 21.1.2023)