Seite:De DZfG 1891 06 258.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Sohm bezeichnet es (S. 17) als die wesentliche Aufgabe seiner Abhandlung, das mittelalterliche Markt- und Stadtrecht zu den Grundgedanken des Fränkischen Reichsrechts in Beziehung zu setzen.

Wie führt er das aus?

Er sagt: das Gebiet, für welches in einem Ort das Marktrecht gilt, wie das Marktrecht selbst, heisst Weichbild; es wird auch Burgrecht genannt. Diese Ausdrücke sind identisch; sie bezeichnen ihrer ursprünglichen Bedeutung nach das Gebiet, für welches Burgrecht gilt; das Weichbild ist das Zeichen, welches besagt, dass das Gebiet eine Burg ist, d. h. nicht ein befestigter Platz, sondern eine Burg im Rechtssinn. Was ist eine Burg im Rechtssinn? Es ist der Ort, der das besondere Burgrecht hat. Was dies für ein besonderes Recht sei, zeigt uns das Symbol für dasselbe, eben das Weichbild (das Kreuz mit Handschuh, Schwert, Fahne, Schild, Hut u. dgl. oder auch eins bezw. mehrere mit einander verbundene dieser Symbole), welches als Leibzeichen des Königs nachgewiesen ist: es ist das Zeichen[1], dass nach Fränkischem Amtsrecht eine Beschlag- und Besitznahme von Seiten des Königs erfolgt ist, dass hier das Gebiet der Königsburg beginnt, dass hier das Recht herrscht, welches in der Königsburg, am Hofe des Königs gilt – die Stadt ist des Königs Eigenthum, des Königs Haus, und der König ist ideell darin anwesend. Aber diese Vorstellung ergibt sich nur nach Fränkischem Amtsrecht; das Volksrecht verbindet nicht eine so weitgehende Vorstellung mit dem Symbol des Kreuzes, weil es das Rechtsmittel der Beschlagnahme eines Grundstückes überhaupt nicht kennt, es verbindet nur die Vorstellung mit jenem Leibzeichen des Königs, dass der König in der Stadt anwesend sei (nicht die, dass die Stadt seine Burg sei). Aus diesen verschiedenen Vorstellungen je des Amtsrechts und des Volksrechts ergäben sich je verschiedene Folgen für die Gestaltung des Markt- und Stadtrechts, zunächst im Strafrecht. Die Folge aus der ersteren Vorstellung würde sein, dass auf schwere Vergehen in der Stadt peinliche Strafe erfolgte, denn von altersher werden solche Vergehen, die in der Königsburg, am Hofe des Königs in dessen

  1. Ich nenne es im Folgenden der Kürze wegen immer nur Kreuz schlechtweg.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 258. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_258.jpg&oldid=- (Version vom 21.1.2023)