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über der mechanischen eine geistige Causalität und als letztes Glied der Kette eine letzte Ursache wenigstens ahnen lassen.

Diese Kräfte nennt Humboldt Ideen, welche aber wohlverstanden „nur in der Naturverbindung“, das heisst doch innerhalb der unsern Erkenntnissorganen allein zugänglichen mechanischen Causalität auftreten können.

Man muss nicht gerade ein „Gedankenbrecher“ sein, um Humboldt’s Meinung, die er in der Einleitung zu dem Werke über die Kawisprache[1] wiederholt hat, in der angedeuteten Weise zu verstehen. Lorenz glaubt jedoch mit seiner entgegengesetzten Auffassung nicht allein zu stehen, insofern er bemerkt, Ranke habe das Studium der Abhandlung Humboldt’s, falls er dazu überhaupt gekommen sei, „an der Stelle abgebrochen, wo Lazarus den ohne alle Frage treffenden Vorwurf erhebe, dass Humboldt die Wirksamkeit der Ideen ausser und über aller Causalität zu suchen wage“. Allein auch Lazarus erkennt doch an, dass Humboldt „von einem Ort der Erkenntniss der Ideen ausserhalb der Geschichte nichts wisse“, sondern sie „mitten im Flusse der Ereignisse selbst ergreifen wolle“[2]. Und dann – nicht die Wirksamkeit der Ideen, welche ja ausschliesslich der Geschichte angehört, sondern ihren Ursprung sucht Humboldt über aller Causalität, und wenigstens darüber sollte man einig sein, dass seine Ideen weder Begriffe sind, die ein selbständiges, von der Erscheinungswelt unabhängiges Leben führen, noch dass sie durch Entwicklung aus der „Grundidee der Menschheit“ gewonnen werden.

Der fundamentale Unterschied zwischen Humboldt’s Ideenlehre und der aprioristischen Geschichtsphilosophie würde indessen einen Gegensatz zwischen Humboldt und Ranke keineswegs ausschliessen, wenn es richtig ist, dass man sich von Humboldt’s Ideen wegen ihrer abstracten Beschaffenheit überhaupt keine rechte Vorstellung machen kann, und dass „Ranke’s historische Ideen ganz mechanisch wirken“ (S. 64). Aber weder das eine noch das andere ist der Fall. Auf welche Weise die Ideen in

  1. Ueber die Kawi-Sprache auf der Insel Java, nebst einer Einleitung über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluss auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts. 1 (1836), ix und xvij–xlvj.
  2. a. a. O. 401 u. 429.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 250. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_250.jpg&oldid=- (Version vom 22.1.2023)