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eingehen, gegen welche meines Wissens kein Widerspruch erhohen worden ist. Nach Lorenz steht nämlich „unser grösster Erforscher der geschichtlichen Ideen in einem ähnlichen Verhältniss zu Schelling“ wie Schlosser zu Kant als Vermittler zwischen der Philosophie Schelling’s und den Leistungen der exacten kritischen Forschung. Nur habe er „dieses Versöhnungswerk in einer so ungeheuer geistreich eigenthümlichen Weise in sich vollzogen, dass sein Verhältniss zu der idealistischen Theorie von den Meisten kaum beachtet werde“.

Man hätte nun in dem Capitel über Ranke’s Ideenlehre eine Begründung dieser Behauptung erwarten dürfen. Dass sie unterblieb, scheint darauf hinzudeuten, dass Lorenz unterdessen selbst von seiner Ansicht zurückgekommen ist. In der That würde er allen Grund dazu haben. Denn einen schlimmeren Vorwurf hätte er dem „grössten Erforscher der geschichtlichen Ideen“ gar nicht machen können, wie Jeder, der Schelling’s schwierige Ideenlehre auch nur oberflächlich kennt, ohne Weiteres zugeben wird. Die Befreiung von aller Causalität, welche nach Lorenz die Ideen Humboldt’s nicht zu ihrem Vortheil von Ranke’s historischen Potenzen unterscheidet, ist bei Schelling’s Ideen, welchen der Philosoph die Rolle des Demiurgos zuertheilt, noch das kleinste Wunder, und es würde allerdings ein ungeheurer Aufwand von Geist, ungefähr so viel wie zur Lösung der Quadratur des Zirkels, dazu gehört haben, zwischen Schelling’s Ideenlehre und den Resultaten der exacten Wissenschaft zu vermitteln.

Das Verhältniss des Philosophen zu Ranke ist aber schon darum nicht beachtet worden, weil von einem solchen nur in sehr bedingtem Sinne die Rede sein kann. Und auch das Wenige, was darüber zu sagen ist, kennt man erst seit den letzten Veröffentlichungen Dove’s, welche zu der Zeit, als Lorenz den ersten Theil seines Buches schrieb, noch nicht erschienen waren.

Bereits 1831 hat Ranke in Münchener Professorenkreisen Schelling’s persönliche Bekanntschaft gemacht. Allein obwohl er zweimal, gegen den Philosophen Ritter und gegen Bunsen, jene Begegnung erwähnt[1], so fügt er doch kein einziges charakterisirendes Wort hinzu, was nach der Art, wie er sich in seinen

  1. An Ritter 3. Februar, an Bunsen 28. März. Lebensgesch. 246 u. 252.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 244. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_244.jpg&oldid=- (Version vom 22.1.2023)