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neuesten Geschichte in der ungeheuren Masse und Zerstreutheit des Stoffes. Wer sich ihr dort ergeben will, muss sich zur Zeit von vornherein entsagend bescheiden, lediglich Bausteine zu liefern, aus welchen einst ein genialer Kopf ein nicht nur glänzendes, sondern auch festgefügtes Gebäude umfassender Darstellung aufzuführen vermögen wird. Vorläufig ist ein solches wohl nicht ausführbar, denn man muss doch erst einmal wissen, was geschehen ist und wie die handelnden Persönlichkeiten ihrem Wesen und Denken nach geartet waren, wenn man aus dem willkürlichen Construiren herauskommen will. Es bleibt dem naturwissenschaftlich Forschenden also nichts übrig, als in der verachteten Kaste der „Spezialisten“ zu verharren. Dafür begünstigt aber auch eben die reiche Fülle und Zuverlässigkeit der Quellen sein Verfahren und erleichtert die Gewinnung sicherer Ergebnisse. Ich gestehe daher ungescheut, dass ich mich nach dem geringen Masse meines Könnens und Wissens mit Vergnügen bemühe, auf dem beschränkten Felde meiner Quellenforschungen die naturwissenschaftliche Methode zu befolgen, und weit entfernt, die Ergebnisse meines Strebens für unanfechtbar zu halten, hoffe ich dennoch, den Kärrnerdienst für den Königsbau der Zukunft nicht völlig nutzlos zu verrichten.

Zu seinen Früchten zähle ich die zu den früher herrschenden Anschauungen im Gegensatz stehende Auffassung der Persönlichkeit und Politik des Herzogs und späteren Kurfürsten Maximilian’s I. von Bayern. Für diese ist nun die Angelegenheit, welche ich hier behandeln will, von besonderer Bedeutung.

Trieb nämlich Maximilian, wie ich behauptet habe, bis zum Jahre 1608 lediglich Territorialpolitik im engsten Sinne, so erscheint es befremdlich, dass er sich um die Kaiserkrone bewarb, deren Besitz ihn in der Ordnung der zerrütteten Verhältnisse seines Landes behindern und in unabsehbare Verwicklungen führen musste. Es hat sich mir daher, als ich zuerst über seinen Kaiserplan berichtete[1], die Vermuthung aufgedrängt, dass derselbe von seinem Vater, Wilhelm V., welcher die Regierung 1598 niedergelegt hatte, sich aber auch später noch ab

  1. In dem Aufsatze: Die Verhandlungen über die Nachfolge Kaiser Rudolf’s II. in den Jahren 1581–1602, Abhandlungen der Baierischen Akademie d. Wiss. III. Classe XV, I, 1 ff. Ich führe denselben weiterhin mit „Nachfolge“ an.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_043.jpg&oldid=- (Version vom 5.1.2023)