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so trefflich entschuldigt hatte, wurde sogar wieder zu Gnaden angenommen. Der Kaiser befahl den Vormarsch und liess die Hauptmasse des Heeres von Melanthias herankommen[1].

In dieser Entscheidung, nicht in Valens’ Entscheidung für die Schlacht von Adrianopel, wie man bisher angenommen hat, liegt, soweit wir die Sachlage zu überschauen vermögen, ein strategischer Fehler, vielleicht sogar eine Schuld, aber eine Schuld, die sehr milde zu beurtheilen ist nach dem, was vorausgegangen war: die tiefe Kränkung, der lebhafte Wunsch, durch eine grosse That sich vor sich selbst zu rechtfertigen, liessen den Kaiser zu einem Entschlusse kommen, den er durch seinen Tod genugsam gesühnt hat.

Das Heer durchschritt den Maritzapass westlich in der Richtung auf Philippopel, um sich dann nordwärts gegen die Gothische Stellung zu wenden[2]. Da geschah etwas Unerwartetes

  1. Zosimus IV, 23, vgl. Eunap. Frgm. 46. Zosimus (Eunapius) nimmt einseitig für Sebastianus Partei, doch werden seine Angaben über die erfolgreichen Umtriebe der christlich-Oströmischen Partei durch die gnädige Wiedereinsetzung des Trajanus und die Ereignisse selbst (Ammianus 12, 1 vgl. 6) bestätigt. Ammianus’ Gewährsmann war Sebastianus keineswegs wohlgesinnt: er ist wohl in dem Kreise der Oströmischen Officiere und zwar vermuthlich in der Umgebung des bei Adrianopel gefallenen Potentius (13, 18) zu suchen, zu dessen Vater Ursicinus Ammianus die engsten Beziehungen hatte. – Das e Melanthiade signa commorit (Ammianus 12, 1) geht natürlich auf den vom Kaiser gesandten Befehl zum Vormarsch; er selbst stand ja bereits in Nice vgl. S. 9 Anm. 2. – Wann Valens den Befehl ertheilt hat, wissen wir nicht bestimmt; da er Anfang August schon wieder auf dem Rückmarsch nach Nice begriffen ist (vgl. u. S. 14 Anm. 2), andererseits auf den Anmarsch des Heeres einige Zeit gerechnet werden muss (S. 9 Anm. 2), so kommen wir etwa auf Mitte Juli.
  2. Dieser Vormarsch des Kaisers, den keiner der antiken Schriftsteller unmittelbar überliefert, keine der modernen Darstellungen annimmt, folgt doch mit zwingender Nothwendigkeit aus Ammianus’ Bericht, der offenbar hier seinen Gewährsmann nicht verstanden hat. In ihm liegt der Schlüssel für das Verständniss der Schlacht bei Adrianopel. Der Kaiser steht in Nice, er will zum Angriff gegen die am Schipkapass lagernden Gothen übergehen und lässt das Gros nachrücken (Ammianus 12, 1), da erfährt er durch seine Avantgarde, dass ihm die Gothen die Pässe verlegen wollen, durch welche seine Zufuhren gehen. Auf diese Nachricht entsendet er sofort eine Schaar leichter Truppen, die sich der Pässe bemächtigt. Drei Tage später greifen, wie Valens’ Vortruppen melden, die Gothen Nice an; Valens selbst verschanzt sich bei Adrianopel (Ammianus 12, 2–4). Es hat demnach
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_012.jpg&oldid=- (Version vom 6.1.2023)