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Bei der grossen Masse, die hier erschien – bei 200 000 wehrfähige Männer werden uns genannt – waren nur eine richtige Vertheilung und gewisse Vorsichtsmassregeln nöthig; beide waren vom Kaiser anbefohlen, beide wurden aber von den beauftragten Beamten unterlassen. Ja diese gingen noch weiter, sie reizten und quälten das Volk auf jede Weise, erpressten Geld und Geldeswerth, vernachlässigten die Verpflegung. Dabei wurde das Verbot der Waffeneinfuhr lässig gehandhabt, und als man landeinwärts gezogen war, die Donaugrenze schlecht bewacht. So gelang es Ostgothischen Haufen, denen Valens die Aufnahme verweigert hatte, ungehindert über den Strom zu kommen[1]. Endlich versuchten die beiden Oberbefehlshaber Lupicinus und Maximus nach der oft mit Glück angewendeten Regel die Gothen ihrer Führer zu berauben. Sie luden diese zu einem Gastmahl nach Marcianopolis ein, dabei sollten die Gothischen Fürsten fallen, aber der Anschlag misslang[2].

Erst jetzt war die Gothengefahr wirklich entfesselt, erst jetzt lehnten sich die Gothen, die bis dahin alles geduldig getragen hatten, offen auf. Das Heer, welches man ihnen entgegenstellte, wurde geschlagen. Die Getödteten lieferten Rüstungen und Waffen, und verwüstend und plündernd ergossen sich die Gothischen Schaaren in die Thrakische Provinz und weiter. Nur an den Mauern der Städte prallte ihre Kriegskunst ab[3].

Valens erkannte sofort die grosse Gefahr; er eilte, mit den Persern einen vorläufigen Frieden zu schliessen, auch gingen Boten an seinen Neffen Gratianus, der im Jahre 375 nach Valentinianus’ Tode die Herrschaft des Westreiches übernommen hatte. Den vereinigten Ost- und Weströmischen Truppen gelang es, die Gothen über den Balkan zu drängen und in den Sümpfen der Donaumündungen einzuschliessen, aber die Schlacht bei der kleinen Stadt ad Salices im Herbst des Jahres 377, welche den Feind vernichten sollte, blieb unentschieden: die Römer mussten sogar auf Marcianopolis zurückgehen. Immerhin gelang es

  1. Ammianus XXXI 4, 9–5, 3; Hieron. z. J. 378 (Jord. h. G. § 131 ff. Mommsen); Eunap. a. a. O. (Zosim. IV, 20).
  2. Ammianus 5, 4–7 (Jord. 135 ff.). Diese Ereignisse fallen in die zweite Hälfte des Jahres 376.
  3. Ammianus 5, 8–6, 7; vgl. S. 6 Anm. 1.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_004.jpg&oldid=- (Version vom 4.1.2023)