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popravci krajští (Kreisgerichtsherren) ausgeübt, indem dem vornehmen im Kreise ansässigen Adel eine gewisse Polizei- und Criminalgerichtsgewalt zufiel. Der zweite Abschnitt behandelt die Veränderung, welche die Hussitischen Kriege in der Kreisverfassung verursachten, als vom K. Sigmund anstatt der sistirten Landesbehörden die Institution der Landfrieden mit gewählten Kreishauptleuten eingeführt wurde, mit deren Amte allmählig die Gewalt der Kreisgerichtsherren verschmolz. Unter der Regierung der Jagellonen erreichte die Kreisverfassung ihren Gipfelpunkt, indem sie mit ihren Kreisversammlungen, an denen besonders der niedrigere Adel theilnahm, eine breite Grundlage für die Entwicklung der ständischen Autonomie bildete. In der dritten Periode wurde diese Blüthezeit der ständischen Kreisverfassung von K. Ferdinand I. lahmgelegt durch das Verbot der Kreisversammlungen, und umsonst erstrebte der Böhm. Adel bei den Nachfolgern Ferdinand’s I. die Widerrufung desselben. Die „verneuerte Landesordnung“ Ferdinand’s II. bestätigte im Gegentheil dieses Verbot und in der darauf folgenden absolutistischen Zeit wurde das Amt der Kreishauptleute, ursprünglich eine ständische Einrichtung, immer mehr der Staatsgewalt unterworfen und ihren Aufgaben dienstbar gemacht, bis im J. 1740 von der K. Maria Theresia der letzte Schritt mit deren gänzlicher Verstaatlichung geschah, wovon der ausführlichste und interessanteste Abschnitt unseres Werkes handelt.

Wenn man erwägt, dass der junge Gelehrte sich auf ein grösstentheils noch unbebautes Feld wagte, dass er für die neuere Zeit meistentheils selbständige archivalische Studien unternehmen musste, tritt die Bedeutung der vollbrachten Arbeit noch heller hervor. Es wird da das werthvollste Material vorgeführt für die Erkenntniss der alten Böhm. ständischen Verfassung, die am Ende des 15. und am Anfange des 16. Jahrhunderts ihre Blüthezeit erreichte, aber seit der Regierung Ferdinand’s I. in unaufhörlichem Verfalle sich befand, so dass sie den grossen Umwälzungen des 18. Jahrhunderts keinen Widerstand zu leisten vermochte. Mit grösster Hoffnung und Spannung kann man der Fortsetzung der begonnenen Arbeit entgegensehen, die uns die Einrichtung und Wirksamkeit der Kreisämter in Böhmen im Laufe eines halben Jahrhunderts (1740–1790) schildern wird. In Grenzen der neuen Kreisverfassung wird man die Belehrung bekommen, wie der aufgeklärte Absolutismus in seinen Bestrebungen um die Hebung des materiellen und culturellen Wohlstandes der niederen Stände das Bedürfniss nach neuen Organen fühlte und zu diesem Zwecke die mittelalterlichen Formen des ständischen Staates durchbrach und die landesfürstliche Bureaukratie schuf, welche noch heutzutage die Grundlage der politischen Verwaltung Oesterreichs bildet. Es ist

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 383. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_383.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)