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Böhmens unter K. Ferdinand III. die neu erschienene Dissertation von Dr. F. Šnjan[1] dankbar annehmen, in welcher unter den drei Gruppen der damaligen Habsburger Monarchie eine besondere Aufmerksamkeit den äusseren und inneren Verhältnissen der Böhm. Länder gewidmet wird.

Die Periode der politischen und socialen Umwälzungen Maria Theresiens und Josef’s II., die für die mittelalterliche ständische Verfassung und staatliche Selbständigkeit der Böhm. Krone so verhängnissvoll waren, wählte sich Dr. B. Rieger zum Gegenstande seiner Geschichtsforschung. Die eigentliche Charakteristik und die Zwecke des aufgeklärten Absolutismus und die Entwicklung des modernen Staatswesens zu dieser Zeit erhellen am besten aus der von der grossen Kaiserin in den Böhm. und Oesterreichischen Ländern als erster Instanz neu organisirten Kreisverfassung. Während früher die Ausführung der staatlichen Verordnungen in den Händen der patrimonialen Herrschaften lag, wobei oft die guten reformatorischen Intentionen der Regierung durch Widerwilligkeit der Stände nicht vollzogen wurden, wurde durch die Einrichtung der Kreisämter ein wichtiges Regierungsorgan zwischen die Landesregierung und das Landvolk eingeschoben, welches die patrimonialen Herrschaften mediatisirte und zum wirksamen Apparate der neuen Staatsthätigkeit wurde.

Der Böhm. Gelehrte lenkte sein Augenmerk auf diese Kreisverfassung hauptsächlich von dem Gesichtspunkt aus, dass diese berühmte Einrichtung Maria Theresiens in Böhmen eigentlich keine Neuerung war, sondern ein Resultat langer historischer Entwicklung eines wichtigen Gliedes der früheren Böhm. ständischen Verfassung, welches nach dem J. 1627 allmählig für die Staatsdienste gewonnen und verwendet wurde, bis es von Maria Theresia gänzlich verstaatlicht und nach dem Muster der Böhm. Länder auch in die Oesterreichischen Erbländer eingeführt wurde.

In dem I. Bande Rieger’s[2] wird die historische Entwicklung der Kreisverfassung in Böhmen nach den vier Perioden geschildert. In der ersten, Vorhussitischen Periode werden die Anfänge der neuen Einrichtung seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, als die Altslavische Burgverfassung in vollem Verfalle sich befand, verfolgt; schon im 14. Jahrhundert entwickelten sich eigene Kreisgemeinden mit ihren Kreisversammlungen; die executive Gewalt wurde von dem

  1. Rakousko po válce třicetileté (Oesterreich nach dem 30jährigen Kriege 1648–1658).
  2. Zřízení krajské v Čechách (Die Kreisverfassung in Böhmen, 1889).
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 382. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_382.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)