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Tage nach seiner Abreise ein umfangreiches Schriftstück in Petersburg eintraf, in welchem der Preussische Monarch auf Grund der Unterredung zwischen Panin und Solms im Anfang Februar die einzelnen Fürsten und Mächte Revue passiren liess, mit denen Preussen-Russland eventuell eine gegen den Bourbonischen Familientractat gerichtete Allianz eingehen könne, und in welchem er zu dem betrübenden Resultat gelangte, dass ausser Polen keine Macht in Europa gegenwärtig für einen engeren Anschluss an das Preussisch-Russische Bündniss geeignet sei[1]. Aber der Optimismus war nun einmal am Petersburger Hofe unausrottbar, und die Russische Kaiserin hoffte ihren Bundesgenossen durch eigenhändige „Méditations“ zu dessen „Observations“ eines Besseren belehren zu können, die sie am 29. April nebst dem Original dem Grafen Solms zur Weiterbeförderung übermitteln und an demselben Tage ihrem Bevollmächtigten Saldern als Richtschnur für seine Konferenzen mit Friedrich dem Grossen abschriftlich zustellen liess[2].

Am 19. Mai hatte Saldern in Charlottenburg seine erste Audienz bei dem Preussischen Könige, welcher ihn zunächst über die Zustände in Polen ausforschte und dann eingehend erörterte, dass Russland und Preussen keiner weiteren Allianz bedürften, während der Russische Abgesandte mit Hinweis auf die Verbindung der Häuser Bourbon und Oesterreich energisch die entgegengesetzte Meinung vertrat und in längerer Rede die Nothwendigkeit und Nützlichkeit einer Nordischen Allianz darzulegen suchte. Als er aber u. a. Preussen, Russland und England als die „drei aktiven Mächte“ des Nordens bezeichnete, rief Friedrich lachend, der Englische König sei „der schwächste Mensch von der Welt“, „wechsle seine Minister, wie er seine

  1. Dieses bekannte Actenstück ist abgedr. in Forschungen z. Deutschen Geschichte IX, 169–71 und in: Sbornik XXII, 439–44. Noch weit schärfer äussert sich Friedrich in seinem Erlasse an Solms vom 25. März über die Nordische Allianz, indem er u. a. sagt: „Celle des Russes me suffit; car – – – si je reste uni avec la Russie, tout le monde me laissera intact et je conserve la paix.“ Forschungen z. Deutschen Geschichte IX, 185 und Schlözer, Friedrich d. Gr. und Katharina II, 185–86 (Berlin 1859).
  2. Die Absendung einer Copie der „Observations“ Friedrich’s und der „Méditations“ Katharina’s ergibt sich aus dem Französischen Postscriptum Panin’s an Saldern vom 18./29. April. Sbornik LVII, 509.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 355. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_355.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2022)