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Die Gründe, welche ausser der Rücksicht auf Sinklaire das Verhalten Ulrikens in jenen Tagen bestimmten, waren ihr Unwille über den gleichsam in der Luft schwebenden Angriff der Freunde Russlands auf die Französisch gesinnte Mehrheit im Reichsrath und ihre Besorgniss vor der Verwirklichung des Heirathsprojects zwischen ihrem Sohne Gustav[WS 1] und der Dänischen Prinzessin Sophia Magdalena[WS 2].

Bereits Ende April tauchte in der Schwedischen Hauptstadt das Gerücht auf, die Führer der Mützen hätten in einer Conferenz auf Veranlassung Osterman’s die Absetzung von sechs Franzosenfreundlich gesinnten Reichsräthen beschlossen, ein Gerücht, welches sich bald bestätigte, obwohl der Russische Gesandte die ihm zugeschriebenen Absichten feierlich dementirte[1]. In der ersten Erregung erklärte die Königin, sie werde unter keinen Umständen dulden, dass die etwa für schuldig befundenen Reichsräthe Männer zu Nachfolgern erhielten, die dem Russischen System geneigt seien[2]. Aber bald erkannte sie, dass durch Gewalt nichts, durch List vielleicht alles zu erreichen sei und ersann daher einen anderen Plan. Anstatt sich nämlich an Osterman persönlich zu wenden, befahl sie den seit Anfang Februar zu Stockholm befindlichen Ministerresidenten A. Stachiew, der in Schweden als Gesandtschaftssecretär bereits unter Panin thätig gewesen und mit diesem innig befreundet war, am 21. Juni zu sich nach Drottningholm und bat ihn in einer Unterredung, an welcher auch ihr Gemahl Theil nahm, unter Ableugnung jeglichen Wunsches nach Wiedererlangung der Souveränität und jeden Einverständnisses mit den Hüten, unter lebhafter Betheuerung ihrer Ergebenheit gegen Katharina, sowie unter heftigen Ausfällen gegen Osterman um seine Vermittlung bei letzterem, damit derselbe den „fanatischen Jähzorn“ der Mützen bändige und die Ausstossung der Anhänger Frankreichs aus dem Senat verhindere[3].

Zwar hatte Ulrike die Genugthuung, dass Stachiew bei seinem


    Malmström V, 317 Anm. deutet mit Recht an, dass das Original vom 20. Juni eine weniger schroffe Fassung erhielt. Das Datum des Briefes ergibt sich aus der Depesche Cocceiji’s vom 21. Juni, vgl. auch Osterman’s Bericht vom 10./21. Juni [Russ.], Sbornik LVII, 429–30.

  1. Cocceiji, 3. Mai.
  2. Cocceiji, 14. Juni.
  3. Vgl. Solowjew XXVI, 188–90 und Cocceiji, 25. Juni.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Gustav III., schwedischer Kronprinz 1751–1771, schwedischer König 1771–1792.
  2. Sophie Magdalene von Dänemark, Heirat mit Gustav III. 1766, Schwedische Königin 1771–1792.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 338. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_338.jpg&oldid=- (Version vom 8.9.2022)