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Ohne diese Ausschreitungen vertheidigen zu wollen, muss man freilich zugeben, dass Jacques de Nemours ein Verräther war, und dass er zu einer Zeit, zu welcher auf politische Verbrechen die Todesstrafe gesetzt war, sein Schicksal verdient hatte. Ludwig’s XI. strenges Verfahren war um so unpolitischer, als es dem Herzoge von Nemours die Sympathien der Zeitgenossen verschaffte und seine Fehler vergessen liess.

Die Chronik Ludwig’s XII. von Jean d’Auton war seit Anfang des letzten Jahrhunderts nicht wieder in sorgfaltiger Weise edirt worden; die Ausgabe von de Maulde[1] wird daher willkommen sein. Die Herstellung des Textes war übrigens ziemlich leicht, denn wir besitzen noch die Originalhandschrift des Werkes. Es handelte sich also nur darum, dasselbe abzuschreiben und zu erläutern. Die Erläuterungen, welche der neue Herausgeber gibt, scheinen etwas ungleichmässig zu sein: bald sind sie zu zahlreich und überflüssig, bald hinwiederum fehlen die Anmerkungen gerade da, wo sie nöthig wären. Nichtsdestoweniger wird diese Ausgabe erwünscht sein, zumal der Text unendlich besser als derjenige Godefroy’s zu sein scheint. Demselben de Maulde verdanken wir eine Geschichte Ludwig’s XII., die umfangreich zu werden verspricht. Die beiden ersten Bände, die bisher erschienen, reichen bis zu Karl’s VIII. Italienischem Feldzuge[2]. Verfasser hat viel gelesen und gesammelt, und veröffentlicht nun das Resultat seiner Forschungen, doch ein rechtes Buch daraus zu machen, versucht er nicht. Das Werk ist weitläufig und lässt die Gestalt Ludwig’s XII. nicht klar hervortreten. Es scheint, als wolle de Maulde die gangbaren Ansichten über Charakter und Bedeutung dieses Fürsten adoptiren, ohne Front zu machen gegen die herkömmliche Bewunderung für diese in jeder Hinsicht sehr mittelmässige Persönlichkeit.


Localgeschichte. Des Abbé Lebeuf Geschichte von Stadt und Diöcese Paris wird noch heute von den Gelehrten geschätzt; zwar ist sie in ihrer Form zerrissen und in ihrer Anordnung unbequem, indess der Verfasser hatte viele Urkunden gesehen und besass in nicht geringem Grade Sinn für die alte Zeit. Jedenfalls konnte es verdienstlich erscheinen, das Werk dem heutigen Stande der Wissenschaft entsprechend zu vervollständigen. Vor 25 Jahren hatte dies ohne Erfolg Hippol. Cocheries versucht; seine Arbeit, die übrigens unvollendet blieb, ist mangelhaft und schlecht entworfen. Bessere Dienste wird die neue Ausgabe F. Bournon’s leisten, von welcher

  1. T. I. Laurens. 1889. 414 p. 9 fr.
  2. Vgl. Bibliogr. ’90, 965.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_204.jpg&oldid=- (Version vom 21.12.2022)