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gewesen sein, aber eine Mitgift, die eben durch grosse Vortheile aufgewogen werden kann. Und ob dieses Verhältniss ein reines war oder nicht, wer konnte es damals wissen und wer weiss es heute? – Damals vielleicht Frau Ashley, der Königin intimste Vertraute; heute kein Mensch. Zwar hat Cecil dem Französischen Gesandten de Foix, als dieser für Karl IX. um Elisabeth’s Hand geworben hat, betheuert, dass Leicester von der Königin nur wie ein Bruder geliebt werde; ja Elisabeth selbst hätte, wie Quadra vermeldet[1], als sie blatternkrank aus einem Fieberparoxismus erwachte und sich im Sterben wähnte, es ihr erstes Wort sein lassen, dass sie Lord Robert liebe, aber zwischen ihnen niemals etwas Unschickliches vorgekommen sei. Allein Cecil war ganz der Mann, im Laufe einer diplomatischen Unterhandlung Dinge vorzubringen, die, auch ohne strict wahr zu sein, ihm zweckdienlich schienen, und Quadra war ganz der Mann, kritiklos niederzuschreiben, was ihm erzählt wurde. Nach seinem Berichte hätte Elisabeth, wieder zu Sinnen gekommen, jenes Wort gesprochen und die Bitte hinzugefügt, dass Lord Robert nach ihrem Tode zum Protektor des Königreichs ernannt werde. Eins von beiden muss da unwahr sein: entweder sie war bei Sinnen, und dann kann sie die Bitte nicht gestellt haben, weil Lord Robert als Protector ebenso unmöglich war wie der Papst; oder sie war nicht bei Sinnen, und dann hat Quadra Erlogenes berichtet, wenn er sagte, dass sie es sei. Wir stehen demnach rathlos vor der Frage, wie weit die zwei Liebenden, die Königin und ihr Oberst-Hofstallmeister, sich miteinander eingelassen haben. Wir wissen nur, dass er ihre Liebe niemals verdient und doch unwandelbar durch lange Zeit besessen hat.

Nachdem Lord Robert’s erste Frau ihr plötzliches Ende gefunden hatte, mussten diejenigen, welche früher Dudley’s Einfluss bekämpft, an seinem Verhältniss zur Königin Aergerniss genommen hatten, ernstlich mit der Eventualität rechnen, dass Elisabeth ihn heirathen werde. Die vorsichtigsten unter ihnen beeilten sich desshalb, ihren Uebergang auf Seite des glücklichen und, nach ihrer Meinung, zum höchsten Glücke bestimmten Wittwers zu bewerkstelligen, seinen Hoffnungen nicht weiter entgegenzutreten, seine Pläne nicht zu durchkreuzen. Ja, sie

  1. Bei Froude VII, 430.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_133.jpg&oldid=- (Version vom 19.12.2022)