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Ein Menschenalter Florentinischer Geschichte.
(1250–1292.)
Von
O. Hartwig.


(Fortsetzung.)
VII.

Der grosse Reiz, welchen das Studium der Geschichte von Florenz ausübt, beruht vor allem darauf, dass sich in ihr Allgemeines und Besonderes wie kaum anderswo durchdringen, dass hier das Individuelle sich unwillkürlich für das betrachtende Auge zum allgemeinen Gesetze ausgestaltet und die klar umrissene Entwicklung eines local und geschichtlich eigenartig bestimmten kleinen Staatswesens zu einem Paradigma für die Geschichte der Europäischen Menschheit wird. Die Möglichkeit dieser Entwicklung beruhte hier neben manchen mehr zufälligen und untergeordneten Bedingungen ohne Zweifel auf dem uranfänglichen Vorhandensein eines besonders günstig veranlagten, hochbegabten Menschenschlags, welcher in dem Widerspiel der Kräfte und Interessen, die hier zusammenstiessen, alle Neubildungen des politischen und socialen Lebens in rascher Folge und in scharfer und reiner Abgrenzung hervortrieb, sich selbst aber doch trotz alles Wechsels der Formen niemals in diesen ganz verlor, vielmehr Jahrhunderte lang bei aller Ausscheidung nicht mehr brauchbarer Elemente und trotz zahlloser nicht immer unblutiger Revolutionen und schwerer äusserer Heimsuchungen sich in seinem inneren Wesen, ich möchte sagen in seiner geistigen Legirung, rein behauptete und nur das äussere Gepräge wechselte.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_070.jpg&oldid=- (Version vom 19.12.2022)