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musste nicht bloss gegen räuberische Piraten, sondern auch gegen neidische Concurrenten vertheidigt werden. Die Interessen des Handels waren mit den wichtigsten Lebensinteressen der Stadt verknüpft; wo es sich um Krieg und Frieden handelte, musste die gesammte Gemeinde befragt werden. So wurden die Vertreter der Kaufmannschaft Vertreter der Gemeinde. Wo aber eine Gemeinde die Waffen selbständig führt, ist sie von dem Anspruch auf volle Souveränität nicht mehr weit entfernt.

Diese zweite Umwandlung des Consulats scheint sich in Toscana vollzogen zu haben. Als einfache Communalbeamte finden wir die Consuln bei ihrem ersten Auftreten in Pisa; die Herrschaft der Markgräfin war noch ungebrochen, als im Jahre 1087[1] der Vicegraf Hugo, „das Haupt der Stadt“, in Gemeinschaft mit den Consuln den Seekrieg gegen Genua leitete[2]. Bei seiner Wanderung durch Italien und Deutschland erhebt das Consulat überall den Anspruch auf municipale Souveränität[3], einen Anspruch, den es mit grösserem oder geringerem Erfolge durchzuführen weiss.

    Städte gegenüber einer einheitlichen Reichsgewalt unvereinbar waren. Die neuen Verhältnisse von Treue und Unterwürfigkeit zersetzten den Lehensverband; auch wenn sie in den alten Formen der Lehenstreue abgeschlossen wurden, wurde auf den Lehensherrn keine Rücksicht mehr genommen, vgl. z. B. die Urkunde aus Cremona bei Galantino, Storia di Soncino III p. 4: Die sieben belehnten Ritter verpflichten sich Soncino „a quolibet mortali sine differentia personae“ zu vertheidigen.

  1. Wüstenfeld citirt in einem Briefe an Cantù (Archivio storico, Nuova seria XII p. 6 nt. 2) eine Inschrift angeblich vom Jahre 1063 bei Gründung von S. Maria: cum Pisano consule et tota adstante civitate (gedruckt bei Martini, Theatr. Basil. Pisan.). Die Inschrift erwähnt imperator Henricus augustus, sie kann also erst nach 1084 abgefasst sein; fraglich, ob sie überhaupt echt ist – Wenn man die Inschrift auch für ein authentisches Zeugniss für das Vorkommen des Consulats in Pisa im Jahre 1063 halten wollte, so würde ich doch keinen Augenblick zweifeln, dass das Consulat aus den Byzantinischen Provinzen entlehnt ist; den Byzantinischen Ursprung beweist der Amtscharakter.
  2. Vgl. Anemüller, Geschichte der Verfg. Mailands (Halle 1881), bes. p. 52–54, der nachweisen will, dass die Consuln noch im Jahre 1112 keine consules de communi in den späteren Befugnissen gewesen seien. Seine Gründe sind nicht immer zutreffend. Dazu Wüstenfeld in dem Brief an Cantù.
  3. Ich brauche wohl nicht zu sagen, dass ich das Wort Souveränität nicht in der technischen Bedeutung des heutigen Staatsrechts gebrauche. Ein allgemein gültiger Begriff der Souveränität lässt sich nicht aufstellen.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_063.jpg&oldid=- (Version vom 15.10.2022)