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habe zur Erledigung der zahlreichen ihm vorgetragenen Klagen Richter bestellt, welche nicht aus der Stadt waren, in welcher sie ihr Amt verwalteten, sondern entweder aus anderen Italienischen Städten, oder vom Hofe; denn, wenn ein Bürger über seine Mitbürger zu richten hätte, wäre zu befürchten, dass er sich von parteilicher Vorliebe oder Abneigung leiten liesse. Die Richter, welche der Kaiser einsetzte, wurden potestates oder bajuli genannt[1], aber den Grundsatz, welchen Ragewin als massgebend für die kaiserliche Verwaltung hinstellt[2], scheint Friedrich gegenüber dem Widerstreben der Städte nur theilweise geltend gemacht zu haben. Gerade in der Lombardei wurden die kaiserlichen Podestà aus den Bürgern der Stadt genommen[3].

Andere Eigenthümlichkeiten des Amtes des Podestà zeigen eine merkwürdige Uebereinstimmung mit der Römischen Amtstechnik. Der Podestà wechselt jährlich im Amte[4], wie der Byzantinische Stratege und der Normannische Bailli. Vor allen Dingen: er ist, wie diese, besoldeter Beamter[5]. Wir wissen, dass bei dem Byzantinischen Strategen sowohl als bei dem Normannischen

    Limite discuterent, nec eos ex urbibus iisdem,
    Ne favor aut odium sensus corrumpat eorum
    Sed magis ex aliis ad munera pulcra vocatos
    Elegit, sacra vel delegavit ab aula.

  1. Die Bezeichnung des Podestà als bajulus findet sich schon bei Romuald von Salerno, Mon. Germ. SS. XIX p. 430 zum Jahre 1159; vgl. ferner die Urkunde des Vertrages von Anagni, M. G. LL. II p. 149: Christian von Mainz lässt den Kaiser versprechen: praecipiemus etiam – – – ballivis suis universis et aliis nobilibus per terrae et castra constitutis. Für die spätere Zeit vgl. z. B. die Urkunden Kg. Philipp’s für Assisi a. 1205 bei Ficker IV p. 263: et curia mittet per comitatum bajulos suos.
  2. Ficker, Forschungen II p. 185 Note 22 will die Stelle nicht auf die potestates, sondern auf Richter beziehen, die der Kaiser damals für den Einzelfall delegirte. Sie beweist jedenfalls, dass der Normannische Verwaltungsgrundsatz damals am Hofe Friedrich’s bekannt war. Für die Romagna weist Ficker selbst auswärtige Podestà nach.
  3. Vgl. Ficker a. a. O.
  4. Hegel II, 242 ff.; Ficker, Forschungen II p. 424 u. p. 549.
  5. Laudes Papiae, Murat. SS. XI col. 24: Olim civitas per solos consules gubernabatur, nunc autem eligitur per sapientes illos omni anno rector, qui vocatur potestas ad certum salarium, qui sit de alia civitate. Vgl. auch Oculus pastoralis, Murat., Antiquit. IV p. 96, und die Statuten von Siena, ibid. IV p. 82; vgl. jetzt im allgemeinen La Mantia, Storia della legislazione italiana Bd. I p. 290.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_055.jpg&oldid=- (Version vom 15.10.2022)