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vridebrechel an die hant, den hals umbe den brant. Der vride wuochs dô in dem rîche.“

Es ist dies jedoch nicht so zu verstehen, als ob hier zum ersten Male die öffentlichen Strafen überhaupt zur Anwendung gekommen wären. Die Anfänge des öffentlichen Strafensystems fallen zusammen mit den ersten Anfängen des Staates, des Rechtes. Es handelt sich hier vielmehr um eine allgemeine Anwendung und weitere Ausdehnung des öffentlichen Strafensystems gegenüber dem Fehde- und Bussensystem.

Im einzelnen war sicherlich das Verhältniss weder bei den einzelnen Stämmen, noch zu verschiedener Zeit überall gleich. Im ganzen aber hat je länger desto mehr eine allmähliche Einschränkung stattgefunden, in demselben Mass, in welchem der Staat zu Kräften kam, bis es endlich – nach der gewöhnlichen Annahme und rein äusserlich betrachtet im Jahre 1495 auf dem Reichstage zu Worms, thatsächlich aber und nach der richtigen Ansicht erst bedeutend später – gelang, das Fehderecht ganz auszuschliessen. Bestimmungen gegen das Princip der Selbsthilfe finden sich beispielsweise noch in Artikel 129 der Constitutio criminalis Carolina und in verschiedenen späteren Reichsabschieden, ebenso im westfälischen Frieden (J. P. O.) V § 1 und XVII § 7.

Die alte volksrechtliche Gesetzgebung war nun in erster Reihe dem Bedürfniss entsprungen, durch Aufstellung fester Buss- und Wehrgeldstaxen das Fehdewesen, wenn auch nicht rechtlich, so doch thatsächlich „einzuschränken“[1]. Hand in Hand damit ging die Ausdehnung des öffentlichen Strafensystems. Immerhin hat es die volksrechtliche Gesetzgebung auch in dieser rein thatsächlichen Einschränkung durchaus nicht zu einem abschliessenden Ende gebracht. Die meisten Volksrechte gestatten in gewissen Fällen und unter gewissen Einschränkungen die Geltendmachung der Fehde.

Entschiedener ging das Karolingische Königsrecht gegen die bis dahin noch allgemein zu Recht bestehende Fehde vor. Einmal haben die Karolinger die Neuerung eingeführt, dass der Graf die fehdelustigen Parteien von Amtswegen zum Abschluss eines Sühnevertrags zwingen dürfe. Gegenüber der volksrechtlichen

  1. R. Schröder, Lehrb. der Dt. Rechts-G. Leipzig 1889. S. 331 u. 614.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_016.jpg&oldid=- (Version vom 20.12.2022)