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einen „Zustand der Ruhe und Ordnung“. Es berühren sich demnach lediglich Friedenszustand und Rechtszustand, und der Sprachgebrauch hat auch, indem er auf Grund des gleichen Zweckes die beiden Worte Friedenszustand und Rechtszustand sowohl in cumulativen als disjunctiven Bezeichnungen identificirte, neben dem besonderen einen weitern Begriff „Friede“ geschaffen.

In diesem Sinne heisst es schon in einzelnen mittelalterlichen Quellen: der König oder Kaiser habe pacem et iustitiam in seinem Reiche hergestellt. Doch hier spielt unwillkürlich noch der Gedanke herein, dass man als nächsten Zweck, der in dem Worte Friede angedeutet liegt, die Abschaffung der Fehde betrachtet, wenn dieser Begriff hier auch auf andere mehr rechtliche Zwecke weiter auszudehnen sein wird. Hierher gehört, was die prosaische Kaiserchronik[1] von Ludwig dem Frommen erzählt: „Wir lesen von keiser Ludewîge, daz der vride als guot was bî im, als bî sînem vater.“ Ebenso die Stelle im Trojanischen Krieg des Konrad von Würzburg[2]: „des rîche mit gemache stât und einen vrîen vrîde hat an liuten und an lande.“ Ebenso die Stelle im Görlitzer Stadtrechtsbuch[3] von 1434: „Desse nochgeschrebne gebot und statuta sind alhir zu Gorlitz von alders zu haldin, der stat zu fromen und nutze und zu eren, arm und reich zu frede und zu gemache gesazt und vorwillet.“

Der moderne Sprachgebrauch hat dann diese verallgemeinerte Bedeutung allgemein angenommen, nachdem der geschilderte Gang der Rechtsentwicklung den Unterschied zwischen Friedenszustand und Rechtszustand innerhalb der Rechtsgemeinschaft hatte verblassen lassen. Dies war der Fall, als das Recht alle wichtigeren Beziehungen innerhalb der Rechtsgemeinschaft geregelt und einen allgemeinen rechtlich geschützten Zustand geschaffen hatte. Mit dem Wegfallen des Scheidungsgrundes schwand die Scheidung. In diesem allgemeinen Sinne scheint mir auch die Behauptung v. Jhering’s[4] aufzufassen zu sein, dass

  1. H. F. Massmann, Der Keiser und der Kunige buoch oder die sog. Kaiserchronik. Quedlinburg u. Leipzig 1849. III S. 1048.
  2. Konrad v. Würzburg, Trojanischer Krieg; hrsg. von Keller. Stuttgart 1858. 16 903.
  3. G. Ph. Gengler, Dt. Stadtrechte des Mittelalters. Erlangen 1852. S. 154.
  4. R. v. Jhering, Der Kampf ums Recht. Wien 1889.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_013.jpg&oldid=- (Version vom 20.12.2022)