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eben so sehr fühlt er sich als integrirenden and wichtigen Bestandtheil des Deutschthums in Oesterreich und zugehörig dem grossen Deutschen Volke überhaupt mit seiner grossartigen Culturentwicklung und den noch weiter greifenden Culturbedürfnissen, während den Czechen politische und historische, nationale und ethnographische Verhältnisse immer und immer wieder auf die engere Böhmische Heimath hinweisen.

Schon dadurch – von anderen Erscheinungen ganz abgesehen – erscheinen dem Arbeiter und dem historischen Arbeitsfeld hier und dort andere Grenzen gezogen, Gunst und Förderung für das Schaffen auf dem Boden der Landesgeschichte von verschiedenen Momenten beherrscht. Der Czechische Geschichtsforscher wendet sich, mit wenigen Ausnahmen, regelmässig der Erforschung der Stammesgeschichte[1] zu, beansprucht dafür die Unterstützung des gesammten Landes, sowie es bereits gelungen ist, die Mittel der einst thatsächlich Deutschen Gesellschaft der Wissenschaften und des Böhmischen Museums trotz der utraquistischen Statuten wesentlich in die Dienste seiner Wissenschaft zu stellen[2]; er erfreut sich der ausgiebigen Unterstützung der wohlhabenderen Czechischen Bevölkerungskreise (Lobkowitzstiftung, Hlávka), die in national erregter Zeit diesen Bestrebungen ein besonderes Interesse entgegenbringen. Anders auf Deutscher Seite. In steter lebendiger Beziehung zu den Aufgaben und den Trägern der gesammtdeutschen Geschichtsforschung haben die Deutschböhmischen Historiker ihre Thätigkeit auch in der letzten Periode mehr weiteren Aufgaben, der Oesterreichischen, Deutschen, ja Europäischen und Culturgeschichte zugewendet (Höfler, Lippert, Hallwich u. A.), als der Landesgeschichte, und gilt genau dasselbe bezüglich des historischen Interesses des Deutschen Adels und Bürgerthums; die Deutschen Böhmens haben zur Befriedigung ihrer besonderen culturellen Bedürfnisse nie in den Landessäckel gegriffen und wird ein billiger Antheil für sie aus den öffentlichen Subventionen erst als eine der Früchte der bevorstehenden Verständigung der beiden Völkerstämme erhofft; und wenn endlich auch die private Opferwilligkeit der Deutschen Bevölkerung Böhmens für ihre Geschichte über alles Lob erhaben ist, so waren und sind da doch natürliche Grenzen gezogen in dem Umstand, dass die materiellen Mittel der Deutschböhmen auch für die nationale Arbeit auf allen anderen Gebieten ganz ausserordentlich in Anspruch genommen sind.

  1. Sie wird freilich nach Palacky (aber auch von nationalen Historikern des 17. u. 18. Jahrh.) als Geschichte des Böhm. Reiches dargestellt.
  2. Auch bezüglich der Universitätsbibliothek und des Landesarchivs haben die Deutschen ihre berechtigten Wünsche.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_04_130.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)