Seite:De DZfG 1890 04 123.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

besonders ihre seitherige Selbstständigkeit zu verlieren, man versicherte sie des Gegentheils und sie schienen dadurch beruhigt.

Heute Nachmittag erfuhr ich indess, dass mehrere dieser Soldaten ihre Effekten an Trödler verkauften, sich zusammenrottirten und sehr bedenkliche Reden führten. Ich liess sofort den Trödlern, bei Strafe der Konfiskazion allen Ankauf dieser Sachen untersagen und begab mich zum H. Grafen v. Tauentzien, um ihm meine Ansichten mitzutheilen. Wir kamen überein, dass, da unseliger Weise die Soldaten Patronen haben, Widerstand bei Desertions-Versuchen möglich und also die strengste Vorsicht erforderlich ist, 2 reitende Kanonen auf dem Alexander Platz heute Abends aufgefahren, starke Kavallerie Detaschements patroulliren, solche durch Infanterie-Patrouillen unterstützt werden und auf jeden Rebellen, nach Umständen gehauen und gefeuert werden solle. Der Graf v. Tauentzien und die braven Kommandeurs der Regimenter werden sich selbst in die betreffende Gegend begeben; ich bin überzeugt, dass diese Massregeln den Zweck erreichen werden und morgen wird man den aufrührerischen Truppen die Patronen abnehmen.“

Des Abends um ½11 Uhr fügte Gruner noch diesem Schreiben den folgenden Satz hinzu: „Soeben spreche ich noch den Major v. Horn. Alle Anstalten zur strengsten Erhaltung der Ruhe sind getroffen und wir werden die Nacht unter steter Aufmerksamkeit zubringen.“ Ein Glück war es doch dabei, dass die Berliner Bürgerschaft sich ruhig verhielt. Die Nacht verlief ohne Störung. „Nur ein Soldat ist, da er einen Trupp formiren und sich widersetzen wollte, scharf gehauen und arretirt worden.“ Die strengen Massregeln hatten gefruchtet „und werden uns hoffentlich etwas sichern“. Trotzdem aber glaubte der Polizeipräsident die Ruhe doch nicht verbürgen zu können, wenn nicht eine Entscheidung für oder gegen Frankreich gefällt würde. „Unter den Bürgern selbst sind mehrere aus dem Geleise tretende Subjekte. Ich habe heute erfahren, dass Manche den Soldaten des leichten Bataillons v. Schill zugeredet auch zugetrunken haben sollen.“

Dies berichtete Gruner am 4. Mai. Fünf Tage später hatte die Sache ein anderes Aussehen gewonnen. Er schreibt an den Minister Dohna: „Alles befindet sich in dumpfer Gährung und mit der gespanntesten Sehnsucht harren wir auf die Entscheidung und Hierherkunft Sr. Majestät, ich beschwöre Euer Excellenz aufs Inständigste, solche schleunigst zu bewirken, damit nicht Alles vorher verlohren werde.“ Man sieht schon daraus, in welcher Lage die Behörden Berlins waren.

An dem Tage, wo Gruner den zuletzt citirten Brief schrieb, erhielt er von dem Regierungspräsidenten von Vincke im Namen der

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_04_123.jpg&oldid=- (Version vom 18.10.2022)