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mag manche glaubenstreue Waldenser wieder von den Taboriten abgesprengt und, soweit sie sich nicht als eigene Genossenschaft zusammenschlossen, den als „Picarden“, „Adamiten“, „Nicolaiten“ u. s. w. verfemten sectirerischen „Rotten“ zugeführt haben[1]. Die Annahme, dass die im Jahre 1418 aus der Fremde nach Prag geflüchteten „Picarden“, durch welche angeblich die Leugnung der Transsubstantiation in Böhmen eingebürgert wurde, Waldenser gewesen seien, ist zum mindesten unbewiesen; es liegt viel näher, die Nachricht auf landflüchtige Englische „Lollarden“, unter deren Lehrsätzen jene Leugnung in erster Linie stand, zu beziehen[2]. Eine

    Gesetz gemäss, Niemand mehr wegen Diebstahls gehängt worden. (Ebenda 8. 341 und dazu v. Bezold S. 22.)

  1. Eine Untersuchung über die Berechtigung der gegen die sogenannten „Adamiten“ erhobenen Anklagen liegt ausserhalb unserer Aufgabe. Bei der Art, in welcher man auch unter den Husiten von den angeklagten Ketzern Geständnisse erpresste – Martin Hauska und sein Genosse Procop der Einäugige wurde zu diesem Behufe bis auf die Gedärme gebrannt (Palacky, Gesch. Böhmens III, 2, 236) – wird man den angeblichen Bekenntnissen der „Adamiten“ über ihre Orgien und sonstigen Unthaten wenig Glaubwürdigkeit beimessen dürfen. Was die Partei in erster Linie von den Taboriten schied, war ihre Leugnung der Transsubstantiation. Ein tiefer gehender Gegensatz spricht sich in dem Satze des Martin Hauska aus (Höfler, Geschichtschreiber II, 829): sufficit ad salutem, vivere vitam Christi sine papis et doctoribus. Eine eingehendere Untersuchung dürfte vielleicht den Waldensischen Einfluss, den Lea II, 518 für Martin Hauska und die Chiliasten annimmt, auch für die verketzerten „Adamiten“ nachzuweisen vermögen. Einzelne werthvolle Bausteine zu einer solchen Untersuchung finden sich in Beausobre’s „Dissertation sur les Adamites“ in Lenfant’s Histoire de la guerre des Husites, T. I (1731) S. 304 ff. Auch die Böhmischen Brüder hat man nachmals geradezu „Adamiten“ genannt. Goll I, 119.
  2. Vgl. die Hauptstelle des Lorenz von Brezowa bei Höfler I, 414. Darnach kommen die Picardi, vertrieben propter legem dei, cum uxoribus et pueris nach Prag; sie haben einen „vir Latinus, qui in eorum linguagio libellos eis legebat“. Die Erwähnung der Frauen und Kinder gestattet nicht, an wirkliche Begharden zu denken. Der „vir Latinus“ ist jedenfalls ein des Lateinischen Kundiger; da die Sprache seiner Vorträge in Prag fremd war, können die Vertriebenen keine Deutschen gewesen sein. Die ebenfalls von Lorenz von Brezowa berichtete Thatsache, dass die Königin Sophie sich ihrer eifrig annahm, würde sich am ersten daraus erklären, dass die Flüchtlinge Anhänger Wiclif’s waren, für dessen Lehren die Königin von Hus gewonnen worden war (vgl. z. B. Palacky, Documenta S. 411 ff.). Neben andern betrachtet namentlich Palacky (Ueber das Verhältniss der
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 397. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_397.jpg&oldid=- (Version vom 2.11.2022)