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Husitische und speciell auch die Taboritische Bewegung von allem Anfang an einen national-Tschechischen und deutschfeindlichen Charakter getragen habe. Unsere früheren Auseinandersetzungen hatten gezeigt, dass die Waldensische Propaganda in Böhmen, Ungarn und Polen allem Anschein nach von Deutschland ausgegangen war, dass wie in den letztgenannten Ländern, so auch in Böhmen es zunächst die germanisirten Bezirke gewesen, in welchen das Waldenserthum Boden gefasst hatte. Auch die heutige Deutsch-Tschechische Sprachgrenze ist nur durch einen geringen Zwischenraum von den Ausgangspunkten der Taboritischen Bewegung, Bechin und Tabor, getrennt, während die Befehdung der „Adamiten“ sich bis in das Deutsche Sprachgebiet hinein ausgedehnt zu haben scheint. Wie wir ferner für das Taboritische Pisek zu Anfang des 15. Jahrhunderts eine gemischt Tschechisch-Deutsche Bevölkerung annehmen dürfen, so ist Saaz, das neben Pilsen und Pisek am frühesten der Taboritischen Bewegung sich anschloss, zu Beginn des 15. Jahrhunderts eine Stadt von vorwiegend Deutschem Charakter gewesen[1]; trotz der seit 1413 eintretenden Tschechisirung der Stadt muss sich doch das Deutsche Element in derselben auch während der Husitenstürme behauptet haben, da um 1450 die Deutschen Waldenser, namentlich diejenigen in der Mark Brandenburg, in den engsten Beziehungen zu den Saazer Brüdern standen, von diesen Geldunterstützung und Gelegenheit zu ihrer Ausbildung als Reiseprediger erhielten[2]. Auch die Frage, ob die hervorragenden Theologen der Taboriten- und Waisenpartei, Johann Nemec und Peter Nemec von Saaz, ebenso wie der zu den Taboriten stehende Lorenz „der Deutsche“ von Reichenbach nicht Deutscher Nationalität gewesen sind, wird um so weniger vorschnell verneinend beantwortet werden dürfen, als auch sonstige bestimmte Zeugnisse über den Anschluss Deutscher Elemente in Böhmen an den Utraquismus und das Taboritenthum vorliegen[3]. Mag andererseits

  1. Vgl. Schlesinger, Die älteste Geschichte der Stadt Saaz, in den Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen XXVI (1888) S. 245 ff.; Derselbe, Saaz in der Husitenzeit bis zum Tode Zižka’s, ebenda XXVII (1889) S. 97 ff., wo die Tschechisirung der Stadt seit 1413 nachgewiesen wird.
  2. Husitische Propaganda S. 284 f.
  3. Vgl. die Polemik zwischen Höfler (Geschichtschreiber I, S. xiij f. III, 199) und Palacky (Die Geschichte des Hussitenthums und Prof. Constantin
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 394. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_394.jpg&oldid=- (Version vom 1.11.2022)