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im Altarsakrament und den Nutzen der Beicht. Diese Lehren hatte Hesel in Gemeinschaft mit gleichgesinnten Genossen in Wien öffentlich und, wie es scheint, in derb cynischen Wendungen vorgetragen; selbstbewusst genug, erklärte er sich zu einem Redeturnier mit dem Papste bereit. Dem Inquisitor Petrus gegenüber hat allerdings sein zuversichtliches Auftreten nicht Stand gehalten; am 4. März 1403 schwor Hesel im Friedhofe der Stephanskirche seine Ketzereien ab und erhielt als Strafe das Tragen des blauen Kreuzes auf Jahresfrist, sowie öffentliche Kirchenbusse auferlegt[1]. Sonderliche Bedeutung wird den Ketzereien Hesel’s, in dem wir offenbar einen Mann aus den unteren Schichten des Volkes vor uns haben, nicht beizulegen sein: er mag ursprünglich sich zum Waldenserthum bekannt, mit dessen Lehrsystem aber auch anderwärts aufgefasste radicale Sätze von kirchenfeindlicher Tendenz verquickt haben. Immerhin ist Hesel’s Auftreten als ein Symptom der zu Anfang des 15. Jahrhunderts in der Bevölkerung der Oesterreichischen Hauptstadt vorhandenen Gährung nicht ohne Interesse.

Inwieweit die Oesterreichische Ketzerverfolgung während der nächstfolgenden Zeit, in der Oesterreich durch Bürgerkriege aufs tiefste zerrüttet wurde, von Erfolg begleitet war, entzieht sich unserer Kenntniss. Nur zum Jahr 1411 berichtet eine Wiener Chronik, dass damals in Wien ein Ketzer, Hans der Griezzer, verbrannt wurde „umb etleich Artikel, di wider Christum Glawben waren, und wolt die nit abtreten, alß ainer was umb das Opfer[2].

  1. Der bei J. v. Döllinger fehlende Schluss des Urtheils lautet in der Würzburger Hs.: lecta et lata et in scriptis promulgata est hec sentencia anno domini 1403 indiccione XI die quarta mensis Marcii, que erat dies dominicus, quo in ecclesia dei canitur Invocavit etc., in cimiterio ecclesie sancti Stephani in Wienna Pataviensis diocesis, hora terciarum vel quasi, presentibus ibidem honorabilibus et discretis viris et dominis Petro de Schulderiwein plebano in Steinestorff, Ulrico de Gretz et Henrico dicto Albus predicatoribus apud dictam ecclesiam sancti Stephani et quam pluribus fide dignis aliis testibus clericis et laicis ac maxima multitudine hominum plebis dicte parochie ibi ad audiendum verbum dei congregata.
  2. Anonymi Viennensis breve chronicon Anstriacum, in Pez, Scriptor. rer. Austr. II, 549. Auf diesen Ketzer bezieht sich ein öfters in Handschriften, u. A. in Hs. 313, 315 u. 646 der Breslauer Univ.-Bibliothek (Pertz’s Archiv XI, 701 f.) begegnender Tractat „de oblatione, narrans historiam de quodam haeretico Wiennae tempore Nicolai de Dinkelspuel combusto“.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 380. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_380.jpg&oldid=- (Version vom 1.11.2022)