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Actenstücke sind nur in abgekürzter Form, ohne Angabe der Angeklagten und des Datums, mitgetheilt. Das eine betrifft die Verurtheilung eines Waldensers zu lebenslänglichem Gefängniss[1], ein anderes den Nachlass der gleichen Strafe unter der Bedingung, dass der Begnadigte drei Jahre lang, mit dem blauen Kreuze bezeichnet, Kirchenbusse thue; eine dritte Formel gestattet einem Reumüthigen, das Busskreuz vorzeitig abzulegen.

Von besonderem Interesse sind drei gleichfalls nur formelhaft mitgetheilte Sentenzen, die ein eigenthümliches Licht auf die Stellung der Oesterreichischen Geistlichkeit gegenüber der Waldensischen Secte und dem Inquisitionsgerichte werfen[2]. Ein nicht näher bezeichneter Pfarrer der Passauer Diöcese, der von Jugend auf sich zu den Waldensischen Lehren bekannt hatte, war schon von einem früheren Inquisitor, wahrscheinlich von Heinrich von Olmütz, in Verhör genommen und nach Abschwörung der Waldensischen Lehrsätze absolvirt worden. Auch der Cölestiner aber hatte wieder Veranlassung, seine Rechtgläubigkeit in Zweifel zu ziehen; er liess den Pfarrer abermals seine Irrthümer abschwören und verordnete ihm eine im Stillen zu verbüssende Kirchenstrafe. Ein zweiter Pfarrer hatte der Vorladung des Inquisitors – sei es in eigener, sei es in fremder Sache – nicht Folge geleistet und war in Folge dessen excommunicirt worden; nachdem er sich dem Verhör des Inquisitors gestellt, hebt dieser die ausgesprochene Excommunication wieder auf. Auch ein nicht genannter Passauer Canonicus endlich ist mit dem Inquisitionsgerichte in ernsten Conflict gerathen und von Petrus wegen Widerspenstigkeit und anderer nicht näher bezeichneter Reate mit der Excommunication belegt worden. Es bedurfte des Dazwischentretens des Passauer Bischofs und seines dazu bevollmächtigten Commissars, um den Canonicus von dem Kirchenbanne zu befreien; in der uns erhaltenen Formel bringt der bischöfliche Commissar die Lösung des Bannes zur Kenntniss des Inquisitors und des Klerus der Passauer Diöcese mit der Weisung, dieselbe allgemein bekannt zu geben.

  1. Während des Druckes meiner Arbeit veröffentlicht in J. v. Döllinger’s Beiträgen II, 346. aus „cod. Chiem. ep. 38“.
  2. Abgedruckt in meiner Schrift „Der Waldensische Ursprung des Codex Teplensis“ S. 34 f.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 377. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_377.jpg&oldid=- (Version vom 1.11.2022)