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infrascripti reperti sunt rectores protunc Waldensium haereticorum“[1]. Wohl mit Unrecht hat man bisher die Aufzeichnung auf die an demselben Tage erfolgte angebliche Festnahme von zwölf Waldensischen Meistern bezogen[2]; der Wortlaut spricht vielmehr dafür, dass wir es mit einem Verzeichniss der obersten Leiter, sei es einer einzelnen Gruppe, sei es, was wahrscheinlicher ist, der ganzen Deutschen Genossenschaft zu thun haben, deren Namen irgend ein in Untersuchung befindlicher Waldenser am genannten Tage dem Inquisitor dictirt hatte. Das zweite Actenstück bezeichnet sich dagegen als eine Liste von zwanzig abermals den verschiedensten Landschaften angehörenden Waldensischen Predigern, die, wie es scheint, noch vor dem Jahre 1391 in Untersuchung gezogen wurden und mit einer einzigen Ausnahme mit der Kirche sich wieder versöhnten[3]. Höchst wahrscheinlich haben wir das Verzeichniss als einen zusammenfassenden Ueberblick über die von den Inquisitoren Petrus und Martinus, vielleicht in langen Jahren und auf verschiedenen Schauplätzen, errungenen inquisitorischen Erfolge zu betrachten. Auf die in

  1. Zuerst unvollständig abgedr. bei Flacius, Catalogus testium veritatis (1666) S. 660, vollständiger bei Friess S. 257 nach zwei Hss. der Stiftsbibliothek zu Seitenstetten. Wie die Vergleichung des cod. Guelferb. 466 (Helmst. 431) und cod. Wirceb. misc. chart. f. 51 lehrt, ist auch der Friesssche Druck unvollständig und verbesserungsbedürftg; einen ziemlich correcten Text gibt die kürzlich von Döllinger (Beiträge zur Sectengesch. des Mittelalters II, 367), vermuthlich aus der auch von mir benutzten Würzburger Hs., mitgetheilte Fassung. Die einzige Stelle, welche unserer Auffassung der Entstehung des Verzeichnisses zu widersprechen scheint, ist die auf den Meister Johannes von Diethartz bezügliche: fuit captus Ratisbone, qui periuravit de haeresi, nunc vero convictus (so bei Friess, und ganz ähnlich cod. Guelf. 466: captus R. et portavit crucem de heresi convictus pronunc). Aber auch sie erklärt sich ungezwungen in der Weise, dass jener Meister vor Jahren die Waldensischen Artikel abgeschworen hatte, nun aber nachdem er als einer der Meister der Waldenser angegeben worden, wenn auch nur in absentia, des Meineides überführt ist. Damit stimmt die in der Würzburger Hs. und von Döllinger mitgetheilte Fassung überein: fuit Radispone et portavit crucem de heresi convictus nec vero deficit (= sagt sich aber von der Secte nicht los).
  2. So namentlich zuletzt Preger, Ueber das Verhältniss etc. S. 34 ff.
  3. Zuerst abgedruckt in meiner Schrift „Der Waldensische Ursprung des Codex Teplensis“ S. 35 f., jetzt auch bei Döllinger, Beiträge zur Sectengeschichte des Mittelalters II, 330, wohl auch hier aus cod. ms. fol. chart. 51 der Würzburger Universitäts-Bibliothek.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 347. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_347.jpg&oldid=- (Version vom 31.10.2022)