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Kleinstaaten seit Mitte November wiederholt amtlich auf das feierlichste gelobt, ihren Landständen jene vier Competenzen beizulegen! Waren ihnen doch hierin die Südstaaten, Baiern, Württemberg und Baden in der Zeit vom December bis Februar gefolgt! Oesterreich aber war durch keine Artikel zu zwingen; und was Preussen angeht, so wusste ja Niemand besser wie Hardenberg, dass die Preussische „Verordnung über die zu bildende Repräsentation des Volkes“ der letzten Feilung unterlag und unter seiner Gegenzeichnung nächster Tage (am 22. Mai) ins Leben treten sollte. Diese landständische Verfassung Preussens sollte aber ebenfalls wesentlich das gewähren, was man allseits bisher, mit Ausnahme von Oesterreich, zu gewähren sich anheischig gemacht hatte. Daran freilich dachte Hardenberg damals nicht, dass, abgesehen von der ehrenwerthen Ausnahme der drei Südstaaten, alle jene feierlichen Gelöbnisse der Deutschen Regierungen fast durchweg alsbald in Schaum zerinnen, d. h. in treulosen Wortbruch enden sollten. Der Schaden würde vielleicht geringer gewesen sein, hätte man wenigstens aus dem Oesterreichischen December-Entwurf, dem man doch leider so vieles entnahm, auch die Bestimmung herübergenommen, dass die Landstände „binnen Jahr und Tag eingeführt“ werden sollten.

Die Preussische Verordnung vom 22. Mai ermangelte nicht, überall einen grossen, die Hoffnungen belebenden Eindruck zu machen, obwohl das Berathungsrecht darin nicht ausdrücklich ab ein Zustimmungsrecht qualificirt war und die Landesrepräsentanten „aus den Provinzialständen“ gewählt werden sollten. Indess das Verfassungswerk selbst konnte Zweifel und Unebenheiten verschwinden lassen, und die Vollendung dieses Werkes durfte man noch vor Ende des Jahres 1815 mit Zuversicht erwarten. Denn der „Entwurf“ hatte sogar bestimmt, dass die Verfassungscommission sofort „am 1. Juni zusammentreten“ und die „Verfassungsurkunde spätestens mit dem 1. September vollenden“ solle. Das war nun freilich in der „Verordnung“ schliesslich aus Rücksicht auf den Wiener Congress und aus Vorsicht dahin geändert worden, dass sie „am 1. September zusammentreten“ solle, ohne Angabe eines Schlusstermins. Indess liess sich doch nach Massgabe der Zeitabstände im Entwurf voraussetzen, dass man preussischerseits für die Fertigstellung

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 309. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_309.jpg&oldid=- (Version vom 30.10.2022)