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unter das Allgemeine hinsichtlich der Geschichte in Abrede zu stellen[1]. Denn die einzelnen Geschehnisse sind ja dem Begriffe nach den Perioden coordinirt. Wir dürfen mithin nur von einem Wissen, nicht von einer Wissenschaft der Geschichte reden. Gleichwohl haben wir alle Ursache, dieses Wissen nicht zu unterschätzen, insofern uns allein die Geschichte auf den Begriff Menschheit führt. „Was die Vernunft dem Individuo, das ist die Geschichte dem menschlichen Geschlechte“, d. h. sie ist das vernünftige Selbstbewusstsein desselben, so zu sagen die Gattungsvernunft[2]. Nur wenige Seiten vor der zuletzt angeführten Stelle[3] hatte der Philosoph freilich noch gelehrt, dass die Geschichte von Individuen, die Wissenschaften dagegen von Gattungen reden. Denn diese haben es mit dem zu thun, „was immer ist“, jene mit dem, „was nur einmal und dann nicht mehr ist“, wobei es uns nicht stören darf, dass die Devise der Geschichte an anderer Stelle „Eadem sed aliter“ lautet[4].

So viel erhellt wohl aus alledem, dass sich Schopenhauer nie die Frage vorgelegt hat, wodurch ein Factum zu einem historischen Vorgange, oder wie Droysen sich ausdrückt[5], „wie aus

  1. W. a. W. I, 74–5. Das Verhältniss der genannten Begriffe liesse sich etwa in folgender Figur darstellen.
  2. W. a. W. II, 508 fg.
  3. l. c. 502.
  4. W. a. W. II, 505–8. Vgl. I, 33–4, wo wegen des Gegensatzes von Wissenschaft u. Philosophie erklärt wird, dass alle Wissenschaft nie in das innerste Wesen der Welt treffe und im Grunde nichts weiter lehre als das Verhältniss einer Vorstellung zur anderen.
  5. Grundriss der Historik. 2. Aufl. S. 5 „macht den Kaufcontract, der heute zwischen Privaten abgeschlossen wird, ein Jahrtausend zu einer geschichtlichen Urkunde?“ Eine Frage, auf welche allerdings manche moderne Publication die Antwort schuldig bleiben dürfte.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_058.jpg&oldid=- (Version vom 11.11.2022)