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Zeit ergriffen, auch ohne von der Natur dazu bestimmt zu sein, das Schwert zur Hand nehmen[1]. Hier trennen sich seine Wege von denen unseres grössten Dichters, der dem hochgeschätzten jungen Manne in sein Stammbuch die ahnungsvollen Worte schrieb: „Willst du dich deines Werthes freuen, – So musst der Welt du Werth verleihen.“

Mit dem Jahre 1819 sind wir auch am Endpunkte der Entwicklung angelangt. Alles später Erschienene dient nach dem eigensten Geständnisse des 1860 gestorbenen Philosophen nur zur Ergänzung seiner ein für allemal feststehenden Lehre, und „auf die Entstehungsgeschichte des Systems folgt“, wie Rudolf Haym in seiner unerreichten, wissenschaftlichen Widerlegung der Schopenhauer’schen Lehre bemerkt, „die Krankheitsgeschichte desselben“[2]. Wie Schopenhauer’s Philosophie allmählich aus den heterogensten Elementen zu der in der „Welt als Wille und Vorstellung“ niedergelegten Lehre zusammengewachsen ist, wie seine Dissertation erst schwache Spuren der späteren Lehre zeigt, nach welcher wir im Willen das Ansich der Dinge zu sehen haben, dies alles hat Haym auf eine so gründliche und überzeugende Weise dargethan, dass wir hier nur auf ihn verweisen können. Dagegen wird man den Pessimismus, der gleichsam den Grundbass seiner Philosophie bildet, nach den oben citirten Briefen seiner Mutter jetzt noch weiter zurückdatiren müssen. Es ist dies aber nicht mehr der Pessimismus des 18. Jahrhunderts, welcher sich bald pathetisch wie in Rousseau’s „Diskurs über die Entstehung der Ungleichheit unter den Menschen“, bald satirisch wie in Voltaire’s „Candide“ geäussert hatte. Es ist vielmehr jene eigentümliche Mischung beider Elemente, wie sie gleichzeitig in Lord Byron’s Werken zu dichterischem Ausdrucke gelangt. Schopenhauer hat sich gelegentlich selbst, als man ihm Widersprüche nachweisen wollte, „den consequentesten und einheitlichsten aller Philosophen“ genannt[3], und wir würden ihm gern beistimmen, wenn er nur das Wort „Pessimisten“ an die Stelle von „Philosophen“ gesetzt hätte. Denn dem Vereinsamten blieben die „unverwüstliche

  1. Brief s. Mutter vom April 1814, bei Gwinner 134.
  2. R. Haym, A. Schop. Preuss. Jabrbb. 1864. Bd. 14, S. 45–91; 179–243. Auch separat erschienen.
  3. Mem. 695–6, an Frauenst. Frankfurt 11. Juli 1856.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_052.jpg&oldid=- (Version vom 19.10.2022)