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Der Schluss von 1819 und die nächsten Jahre darauf waren schwere Zeiten für mich. Mit grösserem Hass ist wohl nie eine Function empfangen worden, als die meinige. Der Zeit-Geist überhaupt hatte fast Lust, sie zu ächten; für mich aber kam noch dazu, dass die höhere Beamten-Welt und die Universität selbst mich für einen Glückpilz ansahen, welcher durch Spionen-Künste emporgeschossen seyn müsste. Auf allen Seiten thürmten sich mir Hass und Verläumdung entgegen; vielen schien mein Leben selbst in äusserster Gefahr, da ich jede Sicherheits-Massregel für mich verschmähte. Wahrhaft wüthend waren die Professoren selbst, die es der Regierung nicht verzeihen konnten, dass man einem Mann von hoher Geburt und aus den ersten Staats-Functionen das Curatorium abgenommen und einem Beamten gegeben hatte, der aus dem Stande der Gelehrten selbst hervorgegangen war. Sie werden diess komisch finden, wenn Sie bedenken, dass meine Stellung gegen die Nivellations-Principien gerichtet war, welche man auf Universitäten heimisch glaubte.

Nie in meinem Leben ist mir ein so reiches Feld geworden, um das schwerste christliche Gebot, den Feinden nicht nur zu verzeihen, sondern Böses durch Gutes zu erwiedern, zu erfüllen. Ich bin vielfach und schwer gereitzt worden; aber ich kann vor Gott bekennen, dass ich allen meinen Feinden genützt und keinem geschadet habe – so viele Gelegenheit, selbst Versuchung, ja vielleicht auch Recht ich dazu hatte. Das Resultat war nicht unbelohnend. Ich habe dieses Geschlecht gezwungen, mich wenigstens zu achten. Selbst ihre Liebe hätte ich haben können; aber es war nicht der Mühe werth in meinen Augen, darnach zu streben. Ich hätte in dem Gelehrten ganz den Menschen vergessen müssen, und dazu hatte ich keine Lust. Wo sich nicht beyde in gleichem Werthe vereinigen – was so wunderselten ist – muss ich meine Achtung zurückhalten; denn es ist in der That keine grosse Aufgabe, ein ausgezeichneter Gelehrter zu werden. Es erfordert nur Zeit, nicht einmal grosses Talent[1]. Ueberdiess lernt man, wenn man täglich unter mehreren Dutzenden derselben ist, bald einsehen, dass die Herren der Wissenschaft nicht mehr auf den deutschen Universitäten sind[2]. Es ist alles Mittelgut, alles Einseitigkeit, alles Gelehrsamkeit aus der zweyten Hand, nicht mehr aus der Quelle geschöpft[3].

  1. Wohl nur der Ausdruck einer vorübergehenden übeln Stimmung!
  2. Hier werden Rehfues Niebuhr und die Brüder Humboldt vorgeschwebt haben.
  3. Graf Gesler schrieb im Spätherbst 1818 an E. M. Arndt: „So eine neue Universität ist immer ein bisschen wie ein Freikorps. Es muss da allerlei aufgenommen werden, das das Maass nicht hat. NB.: Ich
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 456. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_02_456.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)