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Kampfes, der Deutschland in seinem tiefsten Innern zerfleischte, steht Friedrich V. von der Pfalz, der König von Böhmen. Kein Wunder, dass er auch zum Mittelpunkte der Liederdichtung wurde. Aber die Lieder, die um seine Person sich gruppiren, sind nicht mehr die einfach schlichten und doch tief zu Herzen gehenden Weisen einer früheren Zeit, es sind harte, schneidige, haarscharfe Waffen, mit denen nun der Kampf für und gegen den böhmischen König geführt wird. Nur einen Zusammenhang suchen sie mit der Melodie des Volksliedes; auch sie wollen zum Theil wenigstens gesungen sein, um sich um so tiefer dem Gedächtnisse einzuprägen, und wählen desshalb die gangbaren, allbekannten Weisen älteren Sanges. Bald aber verlassen sie selbst auch diesen Weg, selbständig treten sie auf, und was ihnen durch den Mangel an Sanglichkeit entgeht, suchen sie dadurch wieder gut zu machen, dass sie des Bildes sich bemächtigen, um gleichzeitig durch Wort und durch Bild auf ihre Hörer und Leser zu wirken. Und wie der Inhalt dieser Lieder von Jahr zu Jahr immer sarkastischer und ironischer wird, die Schärfe der Bemerkungen sogar zur unangenehmen Empfindung sich steigert, so auch das Bild.

So geringen literarischen Werth nun auch die Mehrzahl dieser Dichtungen besitzt, um so grösser ist ihre culturhistorische Bedeutung; klarer als irgend eine gleichzeitige Urkunde dies zu thun vermag, malen sie uns ein Bild der augenblicklichen Stimmung, die Deutschland innerhalb der beiden grossen Parteien beherrschte. Schon die Fülle der erhalten gebliebenen Lieder muss uns in Erstaunen setzen; während der drei Jahre von 1619 bis 1621 allein kennen wir mehr als 200 Lieder, die auf den Winterkönig sich beziehen und welche Menge mögen die folgenden Zeiten spurlos verschlungen haben! Welchen Anklang und welche Verbreitung diese Lieder allerorten gefunden haben müssen, zeigt der Umstand, dass manches dieser Lieder drei- und viermal aufgelegt wurde, und noch viel häufiger einen Nachdrucker fand, der aus einem beliebt gewordenen Liede auch Capital für seine eigenen Zwecke zu schlagen verstand. – Es kann nicht Aufgabe dieses Aufsatzes sein, alle uns bekannt gewordenen Lieder in den Kreis unserer Betrachtung zu ziehen, zumal der Verfasser für die nächste Zeit eine vollständige Sammlung dieser Lieder auf den Winterkönig herauszugeben gedenkt; die wichtigsten nur

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Diverse: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 2 (1889). Mohr, Freiburg i. Br. 1889, Seite 391. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_02_391.jpg&oldid=- (Version vom 2.12.2022)