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württembergischen Particularismus und die Volkspartei in die Schranken. Die Jahre 1870–71 führten ihn dann als Dolmetscher nationaler Empfindungen auf die festliche Tribüne. Ohrenzeugen versichern, dass die Reden, welche er kurz vor Ausbruch des Krieges auf dem Tübinger Reithause, dann zur Feier des Friedensschlusses hielt, zu dem Packendsten und Grössten gehörten, dessen sie sich erinnern. Württembergische Patrioten wandten sich damals an den Grafen Bismarck mit einer Vorstellung zu Gunsten der Wiedergewinnung von Elsass-Lothringen; dieselbe war von W. entworfen und das Concept dazu findet sich noch in seinem Nachlass.

Diesem Höhenpunkte seiner öffentlich-politischen Thätigkeit liegt auch deren Abschluss nahe. W., der durch seine Reichstagsacten-Studien besonders innige Fühlung mit Strassburgs deutscher Vergangenheit gewonnen hatte, der sich dann während der Belagerung, um das Schicksal der dortigen Handschriften besorgt, an den General v. Werder wandte, freilich ohne die Stadtbibliothek vor dem Untergange retten zu können, W. war es vergönnt bei Errichtung der neuen Universität mitwirken zu dürfen und dorthin berufen zu werden. Er hat dort zu den wenigen Altdeutschen gehört, die zu Einheimischen ein wirklich herzliches Verhältniss zu gewinnen wussten, aber politische Wirksamkeit hat er weder dort noch später wieder aufgenommen.

Sein Standpunkt verschob sich allmählig wohl etwas mehr nach rechts. Die stets bei ihm vorhandene Sympathie für indirectes Steuersystem und Monopole führte ihn bei der Scheidung des Liberalismus vom Kanzler auf des Letzteren Seite, während er der neuen Socialpolitik allerdings skeptischer gegenüberstand. Weit entfernt war er davon, ein Parteipolitiker nach der Schablone zu sein; er rechnete sich wohl gelegentlich zu den „liberaleren Elementen“ und bezeichnete sich ein andermal als „conservativ“, obschon er in der gerade vorliegenden Frage sich den Freisinnigen glaubte anschliessen zu müssen.

Ein einiges Reich, eine starke und leistungsfähige Centralgewalt, dabei Selbständigkeit und Selbstthätigkeit der Einzelnen und der kleineren Organisationen in ihrem Kreise, soweit mit jenen obersten Grundsätzen vereinbar, das waren wohl ungefähr die Grundzüge der politischen Ansichten, die sich ihm im Leben und aus seinen historischen Studien, aus der Geschichte des 14. und 15. Jahrhunderts, ergeben hatten.

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 334. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_02_334.jpg&oldid=- (Version vom 30.11.2022)