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248 S. Widersprüche, Wiederholungen, Unebenheiten im Beowulf-Gedichte machen die Annahme mehrerer Verfasser nothwendig. Spätere Aenderungen und Erweiterungen genügen zur Erklärung nicht: ten Brink weist nun mehrere gleichzeitige, unabhängige Behandlungen derselben Stoffe nach in „bahnbrechender“[1] Untersuchung, deren textkritische und ästhetische Einzelbemerkungen[2] ihren Werth behalten, selbst wenn das (hier nur in grossen Zügen darlegbare) positive Ergebniss anfechtbar wäre: Der Beowamythos, Angeln und Sachsen[3] gemeinsam, verknüpfe sich um 535 auf dem Festlande, also bei den Angeln[4], mit der im Grunde historischen Sage von Beowulf, der im Heere des Gautenkönigs Hygelac auf dem Beutezug zum Niederrhein um 515 als Held und Schwimmer hervortrat (aber nicht, wie das Epos erdichtet, lange über die Gauten regierte). Aus jenem Mythos entnehme die Beowulfsage schon damals das „Wettschwimmen[5] mit Breca“ und gewinne dorther, nachdem sie um 550 die Angeln nach Britannien begleitet, den „Drachenkampf“; diesen allein behandle um 610 ein Bernicier episch. Selbständig daneben besinge man in Deira, wo „Wettschwimmen“ zur Episode werde, aus der Beowulfsage die „Heorotreise“ und den „Grendelkampf“ des Beowamythos und steige um 625 mit der „Reise“ zur Höhe altenglischer Epik: die Nationaldichtung finde nämlich in Northumbrien unter den milderen scotischen Bekehrern längere Duldung als im Süden bei den strengeren Römern, ersticke freilich auch dort um 650 in Theologie. – Das noch heidnische Mercien empfange schon vor 650 vom Norden die „Reise“ und entwickle nun eine wildere Epik aus der „Reise“ und eigenen Sagen von Beowulf’s dänischen Thaten und „Kampf mit Grendel’s Mutter“. Dann trete zwar seit etwa 655 vor dem eindringenden deirischen Epos die mercische Epik zurück, füge jenem aber mancherlei hinzu: Dänisches, Christliches, „Grendel’s Mutter“ und die Thrydho-Sage in Anknüpfung an die 697 ermordete Königin Osthrydh. Um 690 singen mercische Dichter von Grendel und Grendel’s Mutter untereinander abweichend. Vom „Drachenkampf“ werde in Mercien erstens die bernicische Version um 690 mit der älteren Form der beiden Reiseabenteuer und zweitens die deirische um 710 mit der jüngeren Form verbunden und aufgezeichnet. Beide mercischen Schriften verwebe vor 800 ein Redactor zu einem

  1. R. Wülker, Lit. Centrbl. 16 II 1889, 251.
  2. Nur als einzelne Nachklänge vorepischen Styls, nicht als Regel, wird strophische Gliederung des Beowulf stellenweise zugegeben.
  3. Besonders in westsächs. Namen nachweisbar.
  4. Weil nach der Auswanderung der Sachsen.
  5. Hierin und im Namen ähneln Mythos und Sage.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_02_198.jpg&oldid=- (Version vom 24.11.2022)