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war, untergehen zu sollen, und das in dem Momente, in welchem der angeblich schlimmste Feind der Kirche gänzlich niedergestreckt war und das dogmatische System der mittelalterlichen Kirche sich in seinem alles umspannenden bis ins feinste Detail gegliederten Aufbaue zur nie übertroffenen Ausbildung zusammenfasste. In Viterbo, wohin jetzt der Sitz der Curie verlegt zu sein schien, erschlug der Statthalter König Karl’s in den geweihten Räumen der Cathedrale aus Blutrache den von dem Kreuzzug zurückkehrenden und darum ganz besonders umfriedeten Prinzen Heinrich von England, den Sohn Richard’s von Cornwallis, und liess den Leichnam durch die Kirche und die Strassen der Stadt schleifen. Eine solche Schandthat an heiliger Statte, die freilich späteren Zeiten nur als Vorbild für die Ausbildung der Mordtechnik in geweihten Räumen und in besonders heiligen Momenten dienen sollte, erregte ungeheures Aufsehen. Selbst König Karl konnte sich dem Eindrucke, den sie gemacht, nicht ganz entziehen. Doch verzieh er dem hohen Mörder bald wieder. Dagegen erhob das Gewissen des italienischen Volkes seine Stimme gegen die hadernden Cardinäle durch den heiligen Bonaventura. Zum ersten Male wurden ihnen Conclavezellen gebaut, über denen man schliesslich das Dach wegnahm, damit der heilige Geist sich leichter auf sie herabsenken könne, wie einer der internirten Cardinäle scherzte. Endlich wurde am 1. September 1271 Theobald von Piacenza, also ein Italiener, gewählt. Er weilte freilich zur Zeit noch als Patriarch von Jerusalem im heiligen Lande.

Diese seine bisherige Stellung musste die Blicke Gregor’s X. über die Wirren Italiens hinaus auf die Weltstellung des Papstthums, auf die dringenden Bedürfnisse der gesammten Christenheit lenken. Diese verlangte nach Schutz des heiligen Landes, das die Ungläubigen nach und nach wieder ganz in ihren Besitz zu bringen drohten. Um aber einen Zug zur Wiedereroberung des Verlorenen unternehmen zu können, war es nöthig, vor Allem in der Christenheit selbst den Frieden wieder herzustellen und die lediglich egoistische Politik Karl’s zu brechen und den höheren Zwecken dienstbar zu machen. Nicht als ob der Papst die Macht des Königs habe zerstören wollen. Er trat vielmehr zunächst für seine Machtstellung in Tuscien und der Lombardei ein. Aber wie in Deutschland geordnete Zustände

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_02_057.jpg&oldid=- (Version vom 3.11.2022)