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Antriebe bestimmt. Gerade sie waren es, welche in erster Linie die volksthümliche Erhebung des Jahres 1813 ins Leben riefen, sie hatten auch an der romantischen Geistesbewegung einen kaum hoch genug zu schätzenden Antheil. Aber alles das soll uns die Erkenntniss nicht verdunkeln, dass hinter den ethischen Motiven doch noch andere Factoren stehen, dass ein ursächlicher Zusammenhang vorhanden ist zwischen der Ausbildung des historischen Sinnes und der Entwicklung des nationalen Bewusstseins, mit einem Wort: dass auch hier das „Analogon einer Organisation“ herrscht.

Die Einzelheiten der Herder’schen Geschichtsauffassung zu verfolgen, hätte keinen Werth. Wir schulden ihm den befreienden Gedanken; die Ausführung, die er selbst gibt, ist häufig einseitig und befangen genug, wenn auch immer interessant und anregend. Ueberall geht er andächtig dem Werden und Wachsen, dem Aufblühen und Verwelken nach, die ganze Menschengeschichte ist ihm eine „reine Naturgeschichte“[1], alle historischen Erscheinungen die „natürlichen Producte ihrer Lage, Zeit, Einrichtung und Umstände“[2]. Aber die Auffassung ist im Einzelnen doch in hohem Grade durch die rationalistischen Anschauungen der Zeit beeinflusst. Schon die Annahme einer Entwicklung auf die Humanität hin, die er aus „Lessing’s Erziehung des Menschengeschlechtes“ entlehnt, trägt diesen Charakter, noch mehr aber seine Beurtheilung des Christenthums und des Mittelalters. Er findet, dass der menschliche Geist durch die christliche Religion, wie sie sich nun einmal historisch entfaltet, eine unglaublich schiefe Form erhalten, und dass das Kreuz, das über die Nationen errichtet war, sich auch den Stirnen derselben sonderbar eingeprägt habe[3]. Von Grund aus zuwider war ihm diese „Mönchsreligion“[4] und die „Barbarei des römischen Papstthums[5]. Es ist bekannt, dass er in den Kreuzzügen nichts sah als „eine tolle Begebenheit, die Europa einige Millionen Menschen

  1. XIII, 7. Die Bedenken, welche man gegen die einseitig naturhafte Geschichtsauffassung geltend machen kann, berühren den Grundgedanken der Entwicklung nicht.
  2. XIII, 6.
  3. XVII, 1 (5).
  4. XVIII, 5.
  5. XVIII, 6.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_02_024.jpg&oldid=- (Version vom 22.11.2022)