Seite:De DZfG 1889 02 004.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Verkehr der Brüder während der Jahre 1522–1524 ist ein so herzlicher, sie gehen so Hand in Hand, dass wir sie uns in allen wesentlichen Fragen von erfreulicher Uebereinstimmung erfüllt denken müssen. Da ist es denn höchst überraschend, den Kaiser mit einem Male in scharfem Widerspruche mit der ganzen Regierungsweise Ferdinand’s zu finden.

Förstemann hat in seinem „Neuen Urkundenbuche“ S. 143 eine vertrauliche Werbung Karl’s an Kurfürst Friedrich von Sachsen aus dem Jahre 1524 abgedruckt, welche auf das Verhältniss der beiden Brüder ein sehr eigenthümliches Licht wirft. Der Kaiser ersucht darin, um es kurz zu sagen, den Kurfürsten, er möge doch seinen Einfluss bei Ferdinand dafür geltend machen, dass er seine sehr bedenkliche Regierungsweise ändere und namentlich denjenigen Mann entferne, welcher die hauptsächliche Schuld daran trage, „unsers lieben Bruders Liebhaber Salamanca“. Das von Förstemann mitgetheilte Actenstück ist nicht Original, sondern gleichzeitige Abschrift, überdies nur das Fragment einer solchen, und endlich, wie sofort zu bemerken, eine sehr unbeholfene Uebersetzung. Gegen die Echtheit desselben regen sich alsbald starke Bedenken. Wie, fragt man sich, sollte wohl Karl auf den Gedanken gekommen sein, dem Kurfürsten eine so missliche Zumuthung in demselben Augenblicke zu machen, wo er ihm den grossen Kummer bereitete, die vor drei Jahren verabredete Verbindung ihrer beiden Häuser durch die Verheirathung seiner jüngsten Schwester Katharina mit dem Kurprinzen Johann Friedrich aufzukündigen? War es überhaupt von dem höchst vorsichtigen Kurfürsten zu erwarten, dass er sich auf eine derartige überaus delicate Intervention einlassen werde? Stand er in so intimen Beziehungen zu Ferdinand, übte er über denselben eine so starke Autorität, dass sich von seinen Vorstellungen irgend ein Erfolg hoffen liess? Konnte der Kaiser jetzt noch in diesem ganz vertraulichen, herzlichen Tone zu dem Beschützer Luther’s reden? Und kann man es glauben, dass Karl gegen diesen Fürsten über seinen Bruder so weit gehende Besorgnisse geäussert habe, die Besorgniss, Ferdinand könne das Schicksal seines Schwagers Christian von Dänemark erfahren, wenn seiner Missregierung nicht rasch Einhalt gethan werde?

Es ist bekannt, wie peinlich sich Ferdinand von der Vollmacht berührt fühlte, welche der Kaiser seinem ausserordentlichen

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_02_004.jpg&oldid=- (Version vom 21.11.2022)