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ihm selbst vorausgesetzten Unaufrichtigkeit der kaiserlichen Politik. Friedrich hätte so leicht Frieden haben können, wenn er in diesem einen Punkte hätte nachgeben wollen.

Seine Politik ist nicht von bequemem Egoismus, wohl aber von einem wohlbedachten System beherrscht. Er ist ein moderner Mensch; ihm fehlt die impulsive Leidenschaftlichkeit, die sich sofort in Worten und Thaten äussert; dieser, wenn ich so sagen darf, kindliche Charakterzug, der uns bei mittelalterlichen Menschen oft so sympathisch berührt. Keine Vorstellung ist irriger, als wenn wir uns Friedrich von einem glühenden, leidenschaftlichen Kaiserstolz geleitet denken (wie er sich bei seinem Vater und Grossvater findet); Friedrich stand in der Defensive den gewaltig vordringenden Mächten der Hierarchie und des Fürstenthums gegenüber; er hatte in trauriger Jugend sich fügen, hatte warten gelernt, Schritt für Schritt musste er sich den Boden erobern. Wie mächtig auch das staufische Blut in ihm wallen mochte, er wusste seine Gluth zu dämpfen; er hatte ein viel zu lebhaftes Gefühl für das, was möglich war, als dass er sich je zu Masslosigkeit und Ueberstürzung hinreissen liess; er war der erste Diplomat auf einem deutschen Throne. Als solcher durfte er sein letztes Ziel nicht verrathen, wenn er es erreichen wollte.

Ich zweifle nicht, dass dieses Ziel eben die Restauration der deutschen Königsgewalt war[1], deren Versäumniss man ihm zum Vorwurf macht. Er unterlag in dem Kampf um die Unterwerfung Oberitaliens, welche die Voraussetzung für die Verwirklichung seines Planes bildete.

Vom nationalen deutschen Standpunkte aus darf also kein Vorwurf gegen Friedrich’s italienische Politik erhoben werden; eine andere Frage aber ist es, ob der Kampf, den Friedrich hier gegen das Papstthum und die italienischen Städte aufnahm, Erfolg versprechen konnte.

Unzweifelhaft war mit der Vereinigung Siciliens mit Deutschland der Kampf mit der Curie gegeben. Seitdem Papstthum und Kaiserthum nicht mehr in einträchtiger Gemeinschaft ihre Ziele verfolgten, hatte der Friede von Venedig eine Auseinandersetzung zwischen den beiden Gewalten auf der Basis des Gleichgewichts

  1. Vergl. Rodenberg, Kaiser Friedrich II. und die deutsche Kirche in „Historische Aufsätze, dem Andenken von G. Waitz gewidmet“, p. 228 ff.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 344. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_344.jpg&oldid=- (Version vom 9.11.2022)