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Politik überhaupt, und von ihrer Beantwortung wird das Urtheil über die Staufer und speciell über Friedrich II. abhängen.

Der Zweifel an dem Recht der deutschen Herrschaft in Italien scheint mir zuerst unter Friedrich I. zu einem klaren Ausdruck gelangt zu sein. Als Friedrich versuchte, in Genua die roncalischen Beschlüsse durchzuführen, wurde ihm hier bedeutet, dass die Genuesen sich jeder Verpflichtung gegen das Reich für entbunden erachteten. Von dem Boden des Reiches besässen sie nicht so viel, um sich davon zu ernähren; das, was sie zu ihrem Unterhalt brauchten, müssten sie selbst mit Mühen und Gefahren von weither herbeischaffen; das Reich hätte nicht einmal eine Flotte, um sie zu beschützen.

Es spricht hier das stolze Bewusstsein der jungen Kaufmannschaft, die alles sich selbst verdankt, nichts dem Reiche. Das Reich erscheint als eine veraltete Institution, und ganz unbillig dünkt es ihnen, wenn es die Früchte ihres Fleisses und ihrer Thatkraft auf Grund von Rechten beansprucht, die längst durch den Gang der Dinge überholt sind.

So war es tatsächlich: in der Zeit, da die deutsche Herrschaft in Italien geruht hatte – wir können im Grossen sagen: in der Zeit vom Tode Heinrich’s III. bis zu Friedrich I. –, war hier eine neue Cultur erwachsen, zu der die alte Ordnung von Staat und Recht nicht mehr passte.

Dies war auch der Eindruck, der den Bischof Otto von Freising beherrschte, als er über den ersten Zug Friedrich’s nach Italien berichtete. Er konnte dem lebhaften, fleissigen Leben, das sich in den Städten regte, seine Bewunderung nicht versagen, ihm gefiel die feine Sitte und die elegante Rede der Italiener, aber höchst seltsam erschien dem würdigen Prälaten ihr seltsamer Drang nach Freiheit. Dass hier nicht die Bischöfe und Fürsten die Herrschaft in Händen hatten, sondern gewählte Vertreter aus den drei Ständen der Stadt, dass hier Leute aus der Hefe des Volkes zum edlen Kriegshandwerk zugelassen wurden, musste er mit missbilligender Verwunderung bemerken.

Man sieht wohl, es lag ein tiefer Gegensatz zwischen den Zuständen Deutschlands, an denen der Freisinger Bischof seine Begriffe von Ehre und Recht gebildet hatte, und dem jungen Italien.

Dieser Gegensatz erweckte den Zweifel, ob die Deutschen

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 335. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_335.jpg&oldid=- (Version vom 9.11.2022)