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Papstes Alexander IV. vom 17. April 1257 thätig: wir erfahren, dass der König in der unmittelbar vorangehenden Zeit als eifriger Ketzerverfolger in seinen Stammlanden aufgetreten ist. Der Papst zollt den Massregeln, welche Otakar gegen die in verschiedenen Theilen des Königreiches und an der polnischen Grenze aufgespürten Ketzer ergriffen hat, volle Anerkennung: durch sie seien Viele auf den rechten Weg geleitet, manche Gefahren beseitigt worden. Nichtsdestoweniger ernennt Alexander IV., dem Ersuchen des Königs nachkommend, zwei Minoriten, den als Prediger hochberühmten Lector des Brünner Klosters, Bartholomäus, und Lambert „den Deutschen“ aus der Prager Diöcese, zu Inquisitoren für die bezeichneten Gebiete mit weitreichenden Privilegien; neben ihnen sollen aber auch die Bischöfe kraft der ihnen früher ertheilten Vollmachten Processe gegen die Häretiker einleiten dürfen[1].

Während uns von dem Erfolge der Thätigkeit der beiden böhmischen Inquisitoren[2] jede Kunde fehlt, sind wir über eine gleichzeitig im Herzogthum Oesterreich stattfindende umfassende Ketzerverfolgung aufs beste unterrichtet. Ein Geistlicher der Passauer Diöcese, welcher zwischen 1260 und 1270 ein weitschichtiges polemisches Sammelwerk gegen Juden und Häretiker niederschrieb, ist es, dem wir die überaus werthvollen Nachrichten

  1. Codex diplom. et epist. Moraviae III, S. 238. Man wird sich hüten müssen, aus den einzelnen Sätzen der Bulle allzuviel für die speciellen Verhältnisse Böhmens in Betracht Kommendes herauszulesen, da dieselbe fast Wort für Wort mit der am 13. Dec. 1255 an den französischen Dominicanerprovinzial und den Pariser Minoritenguardian erlassenen Bulle des Papstes Alexander IV. übereinstimmt, worin diese als Inquisitoren für Frankreich aufgestellt werden (Ripoll, bullar. predicatorum I, 291, Nr. 52 und darnach Fredericq, Corpus documentorum inquisitionis Neerlandicae I, 125).
  2. Die Ketzer treten „in aliquibus partibus regni et dominii… regis Boemorum et Poloniae confiniis“ auf; man kann zweifelhaft sein, ob darunter nicht etwa auch die österreichischen Länder inbegriffen sind. Im Hinblick auf die im Folgenden zu besprechende österreichische Waldenserverfolgung derselben Zeit, die sich bis an die böhmisch-mährische Grenze ausdehnte, zweifle ich nicht daran, dass die böhmischen Inquisitoren in erster Linie gegen Waldenser einzuschreiten hatten. Die kirchlichen Verhältnisse im deutsch-böhmischen Grenzgebiete hat jedenfalls der Passauer Anonymus (Flacius S. 651) im Auge, wenn er als eine Ursache des Wachsthums der waldensischen Ketzerei die Abnahme der Beichte durch böhmische Geistliche in deutschen Bezirken bezeichnet.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 297. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_297.jpg&oldid=- (Version vom 16.11.2022)