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Imperium Romanum. Diese Auslegung lag nahe, da man bereits seit Claudius Ptolemaeus im 2. Jahrhundert gewohnt war, die Reihenfolge der Weltherrscher nach der Aufeinanderfolge der assyrisch-medischen, persischen, griechisch-makedonischen, römischen Dynastien aufzuzählen[1]. Da das letzte der Reiche gemäss Daniels Prophezeihung bei der Auferstehung vergehen sollte, so ergab sich daraus die Dauer des römischen Reiches bis zum jüngsten Gericht. Diese Interpretation des Hieronymus ward alsbald Gemeingut der historischen Anschauung: Sulpicius Severus gibt dieselbe in seinem um 400 verfassten Chronicon (2, 3) wieder, Augustin operirt besonders in seinem Werke De civitate dei damit, Orosius nimmt dieselbe in seiner Römischen Geschichte mit der Modification auf, dass er das medisch-persische Reich in das babylonische einbezieht und statt dessen nach dem makedonischen ein Regnum Africanum ansetzt, seiner Theorie (2, 1) zu Liebe, dass in jeder der vier Himmelsgegenden eine Hauptmonarchie erstanden sei; doch hat diese Modification keinen besonderen Anklang gefunden. Die derartig transcendental begründete Ansicht von der Dauer des Imperium Romanum entsprach übrigens so sehr dem realen Eindruck der gewaltigen römischen Cultur, dass auch die germanische Welt sich von dieser Vorstellung nicht losmachen konnte und dass dieselbe, wie man weiss, im Mittelalter geradezu eine politische Macht geworden ist. Man half sich über den Sturz Roms hinweg, indem man zunächst die Kaiser des byzantinischen Ostreichs als Vertreter des Imperium ansah und dann durch Karl des Grossen Kaiserkrönung das Imperium Romanum auf die Franken übertragen sein liess; durch diese Fiction war die Continuität gewahrt. Uebrigens hat die Monarchientheorie die Periodisirung nach Aetates keineswegs verdrängt; man begnügte sich, wie gleich der erste Historiker, der jene anwandte, Orosius, die Theorie zu entwickeln und an den betreffenden Zeitpunkten zu bemerken, dass nun dies Regnum zerstört sei, jenes seinen Anfang genommen habe; ausserdem theilte und rechnete man nach den Aetates.

Das ganze Mittelalter hindurch herrschte diese theologische Periodisirung der Geschichte. Die Verfasser grösserer Chroniken pflegten mehr oder weniger ausführliche Excerpte der Chronik des

  1. Vgl. Oertel l. c. S. 28 f.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_065.jpg&oldid=- (Version vom 8.11.2022)