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bleibt es eine müssige Sache, erforschen zu wollen, ob diese Königin durch das drückende Bewusstsein einer gemeinsamen schweren Schuld oder durch Motive besserer Art an Bothwell gefesselt war.

Fasst man alles zusammen, so kann man sich der Einsicht nicht erwehren, dass Maria’s Betragen gegen den Mörder Darnley’s einer unanfechtbaren Freisprechung von der Schuld des Gattenmords im Wege stehe. Und man könnte das die Königin belastende Material nach Belieben vervollständigen, könnte die Aussagen aufführen, die einerseits von Crawford, dem Vertrauensmann, und Nelson, dem Diener Darnley’s, andererseits von Bothwells Mitschuldigen und Helfershelfern, Nicolaus Hubert alias Paris, Powrie und Hepburn abgegeben wurden; sie enthalten eine Kette von Thatsachen, die als Indicienbeweis gegen Maria Stuart zu verwerthen keine Kunst wäre und auch schon versucht wurde. Allein bei diesem Beweise darf man sich aus dem Grunde nicht beruhigen, weil jene Aussagen nicht ganz von Widersprüchen frei sind und theils vor dem schottischen Staatsrath und schottischen Gerichten, theils vor der in York niedergesetzten englischen Commission abgegeben wurden, also immerhin dem Zweifel Raum gönnen, ob sie nicht parteiisch zugerichtet und protocollirt sind, ob man dem Gedächtniss oder Uebelwollen der Vernommenen nicht durch Verheissungen oder Zwangsmittel nachgeholfen habe.

Die Frage steht, was immer über dieselbe geforscht oder gefabelt worden, noch genau auf dem Punkte, wo sie Robertson schon im vorigen Jahrhundert, mit seiner ungemein gründlichen und, soweit die damals vorhandenen historischen Belege reichten, erschöpfenden Untersuchung gelassen hat: aus den Thatsachen ist bei objectiver Betrachtung auch nicht entfernt etwas anderes zu ersehen, als dass Maria Stuart entweder sich des Gattenmordes schuldig fühlte, oder aber so thöricht gewesen ist, durch ihr Betragen vor und nach dem Morde, durch die einzelnen Stadien und den ganzen Verlauf ihres Liebesabentheuers mit Bothwell den Schein der Mitschuld auf sich zu laden.

Zwischen diesem Entweder-oder gibt es kein Drittes. Man hat also die Wahl, Maria Stuart für eine grosse Thörin oder eine grosse Verbrecherin zu halten. Gegen die erstere Annahme spricht alles, was vom Lebenslaufe dieser Königin uns bekannt

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_059.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)