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in unmittelbarer Umgebung, so zu sagen einer Vorstadt von Edinburgh stattgefunden habe und die Betheiligten nicht bei Sinnen gewesen sein müssten, die Comödie dort aufzuführen, wo die Gefahr der Entlarvung am nächsten lag – dieser Versuch hätte etwas auf sich, wenn nicht durch Dr. Chalmers urkundlich festgestellt worden wäre, dass der Ort der Entführung anderswo zu suchen ist: bei der Brücke nämlich, die zwei Meilen von Edinburgh entfernt über den Fluss Almond geführt hat.

In Dunbar war Maria die Gefangene Bothwells, wenn anders eine Gefangenschaft, in die sie sich freiwillig begeben hat, diesen Namen verdient. Was nun da zwischen dem Entführer und der Entführten vorging, erfahren wir nur in dunkler Andeutung, aus der sich ebenso gut alles wie nichts schliessen lässt. Maria Stuart hat später geschrieben, dass Bothwell, um ihre Einwilligung zu erlangen, es an Bitten und ungeziemenden Forderungen nicht fehlen liess, ja selbst vor Anwendung von Gewalt nicht zurückgeschreckt sei. Allein diese Aeusserung der Königin entspricht dem Zwecke, der mit der Entführung verfolgt ward; ob sie der Wahrheit entspricht, steht sehr dahin. Denn wer nimmt sich mit Gewalt, was er schon vordem in Güte gehabt hat! Und nach allem zu schliessen, was seit Darnley’s Tode vorgekommen war, gehörte eine ausserordentliche Naivetät dazu, sich das Verhältniss zwischen Maria und ihrem Geliebten als ein reines vorzustellen, das erst in Dunbar befleckt worden wäre. Als Bothwell nach Dänemark entflohen war, soll er dessen Könige, unter Vermittlung des französischen Gesandten Dauzay, gestanden haben, dass er Maria Stuart in Dunbar gewaltsam dahin gebracht habe, sich ihm preiszugeben. Das Actenstück, welches dieses Geständniss enthält, ist auf der königlichen Bibliothek des Schlosses Drottningholm in Schweden; ob es echt oder eine Fälschung sei, wäre erst zu untersuchen. Vollends verdient die Nachricht, dass Bothwell auf seinem Todtenbette bekannt habe, dass er sich magischer Künste bedient, um die Königin zu bethören, auch nicht den geringsten Glauben. Erst müsste doch bewiesen sein, dass es solche magische Künste gibt. Und wenn er dergleichen auf seinem Todtenbette ausgesagt hat, so passte darauf das Wort, das Lessing im Nathan dem Saladin in den Mund legt: „Gar sterbend! – nicht auch faselnd schon?“

Die Hartnäckigkeit, mit der Maria Stuart an ihrem dritten

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_057.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)