Seite:De DZfG 1889 01 052.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

als was zwei Monate später sich mit Darnley ereignet hat, seine gewaltsame Beseitigung, musste die Königin, die ja nicht stumpfsinnig war, verstehen. Ihre Gegenäusserung war desshalb klug und weise gesetzt; aber eine unzweideutige Ablehnung, ein strenges königliches Gebot, von der Sache abzulassen, war es nicht.

Die Scene, die sich hiermit abgespielt hatte[1], gleicht derjenigen, die vor dem Papste Sixtus IV. gespielt wurde, als sein Nepot Girolamo Riario und dessen Spiessgeselle Montesecco die geplante Ermordung der Gebrüder Medici andeutungsweise vor ihm zur Sprache brachten. Nach der wiederholten Betheuerung, er wolle kein Blut sehen, sagte damals der Papst den beiden Versuchern: „Ich bin es zufrieden, dass Ihr diese Barke lenket, nehmet aber der Ehre des hl. Stuhles in Acht.“ Wie man immer über die Willensäusserungen des Papstes und der Königin denke, wenn sie deutlicher gelautet hätten, würde man wissen können, ob Maria Stuart und Sixtus den Mord gewollt oder nicht; jetzt weiss man nur, dass beide auf Ehre und Gewissen sich berufen, aber ein unbedingtes Verbot des Mordes nicht über die Lippen gebracht haben.

Wenn freilich der Angabe eines sehr übel berufenen Zeugen sich Glauben schenken liesse, wäre Maria Stuart mit der Absicht, Darnley ermorden zu lassen, denn doch aufs deutlichste hervorgetreten: sie hätte Sir James Balfour direct aufgefordert, den Mord auszuführen und, als er sich dessen weigerte, ihn einen Feigling gescholten[2]. Die Nachricht klingt unglaublich, wäre es aber an und für sich genommen mit nichten. Wir haben uns gegenwärtig zu halten, dass diese Königin und Philipp II. Zeit- und Gesinnungsgenossen waren: dieselben Triebfedern, die den spanischen Herrscher in Bewegung gesetzt, müssen auch auf sie gewirkt haben, und Handlungen, die er für erlaubt hielt, können nicht ihr als verwerflich erschienen sein. Denn dass ihr Gewissen zarter besaitet gewesen, als das seinige, ist leicht gesagt,

  1. Der Beleg für selbe ist die Protestation der Lords Argyle und Huntley, die ihnen beiden von Maria Stuart zur Unterzeichnung gesendet worden; s. Anderson, Collection relat. to the hist. of Mary Q. Scotland. London 1728, IV, P. 2 p. 189. Der Protest Murrays gegen die ihm dabei zugemuthete Rolle ib. p. 194.
  2. Vergl. Froude IX, 115.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_052.jpg&oldid=- (Version vom 8.11.2022)