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Von den Cassettenbriefen ganz und gar abgesehen, verbietet uns eine Reihe geschichtlicher Thatsachen, die Beschuldigung Maria’s wegen Gattenmordes so schlechthin zurückzuweisen. Es sind Thatsachen, denen mittelst der gebräuchlichen Methode der Vertheidiger Maria Stuarts nicht beizukommen ist. Mit dieser Methode hat es nämlich die sonderbare Bewandtniss, dass sie den, der sie anwendet, unmerklich auf den Punkt führt, von dem aus betrachtet als gefälscht erscheint, was zu Lasten der Königin spricht, und als echt und glaubwürdig, was zu ihrer Entlastung sich tauglich erweist. Treten nun Dinge hervor, welche diesen Aussichtspunkt versperren, so werden sie mit dem Mantel des Schweigens bedeckt, oder man gibt ihnen, den widerspenstigen Dingen, eine nach Thunlichkeit harmlose Auslegung. Allein schweigen heisst nicht widerlegen, Verdächtiges für harmlos erklären heisst nicht es aus der Welt schaffen.

Als in Schottland bei Hofe kein Zweifel daran herrschen konnte, dass Maria Stuart die Ermordung Riccio’s ihrem Gemahle nicht verziehen habe und zum Mindesten durch eine Ehescheidung sich an ihm rächen wolle, traten fünf Lords, darunter Bothwell und der überschlaue Maitland von Lethington, vor die Königin und machten ihr den Vorschlag, dass sie die von ihr gewünschte Ehescheidung in die Hand nehmen und zu einem glücklichen Ende führen wollten. Die Königin erhob den Einwand, dass aus der Scheidung sich Folgen ergeben würden, welche die Legitimität ihres vor etwa sechs Monaten geborenen Sohnes in Frage stellen könnten. Darauf nahm Lethington das Wort und sagte: „Madame, wir sind hier die Häupter von Eurer Gnaden Regierung und Adel, wir werden die Mittel finden, dass Eure Majestät ohne Präjudiz für Jhren Sohn den Gemahl loswerden, und obgleich Lord Murray hier nur um ein kleines weniger scrupulös als Protestant ist, denn Sie als Papistin, wird er dabei durch die Finger sehen und nichts sagen, während wir handeln.“ Murray schwieg auch in der That; später wollte er gar solche Worte nicht vernommen oder ihnen weiter keine üble Deutung gegeben haben. Maria Stuart erwiderte: „Ich möchte nichts gethan sehen, was meine Ehre und mein Gewissen berührte; denn indem Ihr Gutes mir erweisen wollt, könnte es leicht zu meinem Schaden und Missfallen sich wenden.“ Was Lethingtons Aeusserung bedeute, dass sie nichts anderes bedeute,

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_051.jpg&oldid=- (Version vom 8.11.2022)