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zum Mindesten zweifelhaft. Ausser dem Fleischalbumin enthält die neue Fleischbrühe eine gewisse Menge Blutroth und darin eine weit grössere Menge des zur Bildung der Blutkörperchen nothwendigen Eisens, und zuletzt die verdauende Salzsäure.

Ein grosses Hinderniss für die Anwendung dieser Fleischbrühe im Sommer ist ihre Veränderlichkeit in warmem Wetter; sie geräth förmlich in Gährung, wie Zuckerwasser mit Hefe, ohne üblen Geruch anzunehmen; welcher Stoff hierzu Veranlassung giebt, ist sehr werth untersucht zu werden. Die Auslaugung des Fleisches muss deshalb mit ganz kaltem Wasser an einem kühlen Orte vorgenommen werden. Eiswasser und äussere Abkühlung mit Eis heben diese Schwierigkeit völlig. Vor Allem ist streng darauf zu achten, dass das Fleisch frisch und nicht mehrere Tage alt genommen wird.

In dem hiesigen städtischen Hospitale ist diese Fleischbrühe in Anwendung und bereits in die Privatpraxis mehrerer der ausgezeichnetsten hiesigen Aerzte (Münchens), wie der Herren Dr. v. Gietl und Dr. Pfeufer übergegangen.

Ich würde vielleicht Anstand genommen haben, einer so einfachen Sache eine grössere Publicität zu geben als sie verdient, wenn mich nicht ein neuer und für meine Familie besonders wichtiger Fall von der grossen Ernährungsfähigkeit dieser Suppe völlig überzeugt hätte, und es floss daraus der natürliche Wunsch, dass auch in weiteren Kreisen ihr Nutzen geprüft werden und andern Leidenden ihre wohlthätigen Wirkungen zu gut kommen möchten. Eine junge verheirathete Frau, welche in Folge einer Eierstockentzündung keine festen Speisen geniessen konnte, wurde zwei Monate lang ausschliesslich und zwar bis zur vollkommenen Wiederherstellung ihrer Gesundheit damit erhalten; sie nahm in dieser Zeit an Fleisch und Kräften augenscheinlich zu. In der Regel nehmen die Patienten die Suppe ohne alles Widerstreben nur so lange sie krank sind; so bald sie andere Speisen geniessen können, widersteht sie ihnen, was an der Farbe und vielleicht in dem schwachen Fleischgeruch liegen mag. Für Viele möchte es deshalb vielleicht von Nutzen sein, die Fleischbrühe durch stark gebrannten Zucker braun zu färben und ein Glas rothen vom besten französischen Bordeaux-Wein zuzusetzen.

Ein Mittel zur Verbesserung des Brodes. Es ist bekannt dass der Kleber der Getreidearten im feuchten Zustande eine Veränderung erleidet; im frischen Zustande weich, elastisch und unlöslich im Wasser, verliert er diese Eigenschaften bei längerer Berührung mit Wasser. Einige Tage unter Wasser aufbewahrt nimmt sein Volum allmählich ab, bis dass er sich zuletzt zu einer trüben schleimigen Flüssigkeit löst, die mit Stärkmehl keinen Teig mehr bildet. Die Teigbildung des Mehls wird aber wesentlich bedingt durch die Fähigkeit des Klebers, Wasser zu binden und in den Zustand zu versetzen, in welchem es z. B. im thierischen Gewebe, im Fleisch und im coagulirten Eiweiss enthalten ist, in welchen das aufgesaugte Wasser trockene Körper nicht nässt. Eine ähnliche Veränderung wie im nassen Zustande erleidet der Getreidekleber beim Aufbewahren des Mehls, indem dieses, als eine im hohen Grade wasseranziehende Substanz, Wasser aus der Luft aufnimmt; nach und nach vermindert sich die teigbildende Substanz des Mehls und die Beschaffenheit

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 473. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_473.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)