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Menschenexcremente enthalten die im Korn und Fleisch entzogenen Bodenbestandtheile vollständig; in dem Guano fehlt es zum vollständigen Ersatz an einer gewissen Menge Kali. Darum nimmt auf kaliarmen (auf Kalk- und Sand-) Feldern nach einer gewissen Zeit seine Wirkung bemerklich ab, und man stellt sie alsdann durch kalireiche Holzasche wieder her.

Ein ganz anderes Verhältniss findet statt bei dem Kartoffel- und Rübenerzeuger, der seine Früchte an den Branntweinbrenner oder Zuckerfabrikanten veräussert.

In dem mittleren Ertrag von 3 Hectaren Feld veräussert der Kartoffelerzeuger die Samenbestandtheile von vier Weizenernten und noch ausserdem über 600 Pfund Kali.

In den Erträgen von 3 Hektaren Feld veräussert der Rübenerzeuger die Samenbestandtheile von vier Weizenernten und 10 Centner Kali. Eine einzige Zuckerfabrik, die zu Waghäusel, bringt jedes Jahr an 200,000 Pfund Kalisalze, welche aus den Melasserückständen gewonnen werden, in den Handel, die von den Feldern der badischen Rübenpflanzer stammen.

Es ist einleuchtend, dass in der Cultur der Kartoffeln und Rüben zwei Ursachen der Erschöpfung auf die Felder einwirken: es wird ihnen in diesen Früchten in jeder Ernte ein Drittel mehr phosphorsaure Salze entzogen als in der Cultur des Weizens, und ausserdem eine enorme Quantität an Kali und Kalisalzen. Rüben und Kartoffelfelder, welche reich an Kali sind, können hiernach durch die einfache Düngung mit Guano oder mit saurem phosphorsaurem Kalk in ihren Erträgen gesteigert werden; da aber der Guano und der Knochendünger das entzogene Kali nicht ersetzen, so tritt für diese Felder nach einer Reihe von Jahren eine um so grössere Erschöpfung ein. Auf andern Rüben- und Kartoffelfeldern (alkaliarmen) besitzt der alkalireiche Stallmist eine den Guano übertreffende Wirkung.

Die Erzeuger von Handelsgewächsen sind in Bezug auf den Ersatz der durch diese den Feldern entzogenen Bedingungen ihrer Fruchtbarkeit in der ungünstigsten Lage. Der Tabakpflanzer führt in den Tabaksblättern eine enorme Quantität von Bodenbestandtheilen aus (im Klee-Heu z. B. nicht über 10 Procent, in den Tabaksblättern 18 bis 24 Procent). Wenn er Futterfelder hat, die ihm den Dünger für seine Tabakspflanzen liefern, so ist er in die Lage eines Landwirths versetzt, der seinen Klee, seine Rüben etc. verkauft, d. h. er kommt in wenigen Jahren an eine Grenze, wo seine Felder keinen Tabak mehr liefern, und er wendet sich, um den ihn nöthigen Ersatz zu erhalten, an seine korn- und fleischerzeugenden Nachbarn, und kauft diesen zu hohen Preisen ihren Klee und ihre Rüben in ihrem Stalldünger ab. Wenn dieser Nachbar auch in der Ueberschätzung seines Ueberflusses an Mist dem Tabakspflanzer davon abgiebt, so kommt er meistens bald von seinem Irrthum zurück, indem er wahrnimmt, dass seine Erträge abnehmen; er wird zunächst gewahr, dass man den Dünger nicht nach seinem Willen erzeugen kann, und dass der Rath: „er solle nur mehr Futter erzeugen, dann werde dass Getreide von selbst kommen,“ ihm nichts nützt; er wird gewahr, dass sein Mist ihm das sechste oder siebente

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 442. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_442.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)