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die Wirkung einzelner Düngmittel nach dem Zustand beurtheilen müsse, in welchem sie das Feld hinterlassen.

Es ist wohl klar, dass wenn nach einer hohen Ernte, die man mit Chilisalpeter in einem Jahre erzielt hat, das Feld im darauf folgenden Jahre eine doppelte Düngung erhalten muss, um den gleichen Ertrag hervorzubringen, man in diesem Fall viel Geld ausgegeben hat, um nichts zu gewinnen; und ich fürchte sehr, dass die Landwirthe, wenn sie eine genaue Rechnung über die Erträge einer Reihe von Jahren und den Düngeraufwand – neben Chilisalpeter – anstellen werden, dass sie für die Ausgabe, die sie für den Chilisalpeter gemacht haben, kaum etwas mehr als eine sehr schöne dunkelgrüne Farbe ihrer Gewächse in der ersten Zeit ihrer Vegetation erzielt haben.

Man kann Guano mit Chilisalpeter und Knochenmehl (oder Phosphorit) in ihrer Wirkung nur der Zeit nach vergleichen. Wenn der Guano, womit man gleichzeitig neben Chilisalpeter ein Stück Feld gedüngt hat, im zweiten Jahre den Kartoffelertrag und im vierten den Kleeertrag sehr bemerklich erhöht, während eine Quantität Chilisalpeter von demselben Geldwerth eine gleiche Erhöhung nicht zur Folge hat, so müssen, wenn man nicht ganz oberflächlich verfahren will, diese Nachwirkungen mit in Anschlag gebracht werden. Und wenn der Ansteller von vergleichenden Versuchen mit Guano und andern Düngmitteln, im Fall der Guano im ersten Jahre die stärkste Wirkung gehabt hat, auf den grössem Stickstoffgehalt im Guano hinweist, und den Schluss daran knüpfen will, dass eben dieses Stickstoffgehalts wegen die Wirkung grösser geworden ist, so muss man ihn fragen: warum er denn nicht mit derselben Ammoniakmenge, die sich im Guano befand, auf einer gleichen Fläche Land ebenfalls einen vergleichenden Versuch angestellt, und in dieser Weise eine Elle sich verschafft hat, um die Wirkung des Ammoniaks im Guano zu messen.

Dies ist bis jetzt von keinem dieser Versuchansteller geschehen, so wie sie denn auch dem Landwirth verschweigen, dass die ausgedehntesten und genauesten Versuche von Lawes, Kuhlmann u. a. darthun: dass ein Pfund Ammoniak im Guano eine fünfmal stärkere Wirkung hat als ein Pfund Ammoniak in der Form eines Ammoniaksalzes. (Die Wirkung des reinen Ammoniaks ist ganz unbekannt.) Es ist einleuchtend, dass die stärkere Wirkung nur daher kommt, weil das Ammoniak im Guano begleitet ist von Materien, welche ebenfalls wirken, und wenn deren Wirkung mindestens viermal grösser ist als die des Ammoniaks für sich, so handelt man doch offenbar weise, wenn man, überall wo man Ammoniak geben kann und geben will, dafür sorgt, dass jene Stoffe dabei sind, damit auch in diesen Fällen seine Wirkung die fünffache sei.

Wenn ein Agriculturchemiker behauptet, dass „er dem Guano hauptsächlich die bestimmte Ueberzeugung von der hohen Wichtigkeit leicht assimilirbarer Stickstoffverbindungen für unsere Landwirthschaft und mittelbar sonach die schönste Errungenschaft seiner agriculturchemischen Thätigkeit verdanke“, so ist das letztere allein richtig, in so fern man – wäre der Guano nicht gewesen – schwerlich von der agriculturchemischen Thätigkeit dieses Mannes in weitern Kreisen etwas erfahren hätte; ein Mann der Wissenschaft sollte sich, um zu schwimmen, nicht an ein Stück

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 437. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_437.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)