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wird er, wie billig, grösser auf Seiten des Producenten sein – alles durch die 20 Procent flüchtiger Stoffe, welche nachlässige Landwirthe durch die Verwahrlosung des Mistes auf der Miststätte verloren gehen lassen.“ (S. 132.)

Aus diesem Vorschlag ergiebt sich, wenn darüber noch ein Zweifel sein könnte, unwidersprechlich, dass der moderne Lehrer der praktischen Landwirthschaft auf die Mineralbestandtheile des Mistes nicht den allergeringsten Werth legt, sondern die ganze Wirkung des Mistes dem Gehalt desselben an verbrennlichen Stoffen zuschreibt. Mit den 20 Procenten dieser Stoffe, welche der frische Mist verliert, wenn er zu altem Mist wird, will der erfahrene Mann uns glauben machen, könne man 20 Procent mehr Korn, oder nach Belieben 20 Procent mehr Klee, oder 20 Procent mehr Fleisch erzeugen.

Weil der Strohmist zufällig die physikalische Beschaffenheit seiner Felder verbessert, und darum günstiger gewirkt hat als der kurze verrottete Mist, darum lehrt er, tausendfach erprobten Thatsachen entgegen, dass der frische Mist auf allen Feldern höhere Erträge liefern müsse; er will uns glauben machen, dass wenn man unsern Kornfeldern einfach das Korn nimmt, und das Stroh einpflügt, dessen Fruchtbarkeit in jedem folgenden Jahr um eben so viel zunehmen müsste als das Stroh verliert, wenn man es als Streu gebraucht, und zu Mist hätte werden lassen!

Was ist nun der Grund dieser grossen Wirkung des frischen Stallmistes und sein Vorzug vor dem verrotteten! Auch dies sagt uns der erfahrene Mann: „In frischem Mist – sagt er – ist mehr Stickstoff als im alten, dagegen enthält dieser mehr Aschenbestandtheile.“ (W. S. 101.) Darum ist der frische also wirksamer als der alte! Die chemische Analyse weist zwar nach, dass der verrottete Stallmist mehr Stickstoff enthält als der frische, allein, in solchen Dingen muss die Erfahrung entscheiden, und da die höheren Erträge, nach seiner Lehre, nur eine Folge sein können von einer grösseren Zufuhr an Stickstoff, so liegt es auf der Hand, dass die chemische Analyse Unrecht hat.

So ganz ausreichend scheinen unserm erfahrenen Lehrer der praktischen Landwirthschaft die 20 Procent Mist, die seine eigenen Felder mehr bekommen, doch nicht zu sein, denn er sagt: „Da selbst die Düngmaterialien, Stroh und Futter, theuer sind, und die Landwirthe den Mist fast um jeden Preis haben müssen, und derselbe durch die niedrigen Preise der Viehproducte ziemlich theuer zu stehen kommt, so suchte man natürlich schon lange nach Mitteln um den Mist zu ersetzen. Ein solches Mittel haben wir in neuerer Zeit in dem Guano gefunden.“

Was ist nun der Guano, und wodurch bringt seine Anwendung dem Landwirth Nutzen?

Der Guano besteht aus dem Residuum der Excremente von fisch-, d. h. fleischfressenden Vögeln, und enthält im wesentlichen die Aschenbestandtheile des Fischfleisches nebst einer gewissen Menge von Ammoniaksalzen.

Die Vergleichung ergiebt, dass die besseren Sorten Guano die Aschenbestandtheile des Korns nebst einer gewissen Menge phosphorsauren

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 415. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_415.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)