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Landwirthschaft nicht emancipirt sein, denn davon könnten sie (die Landwirthe) sich schon theilweise befreien, wenn sie nur stärker düngen könnten“ (W. S. 129). „Die meisten Landwirthe möchten allerdings viel lieber nichts als Weizen und Reps bauen; dies ginge aber einmal nicht, der Boden wolle seinen Mist haben, und ohne eine richtige Fruchtfolge habe man keinen Mist“ (W. S. 129). „Der Mist sei gleichsam das Material, welches in dem landwirthschaftlichen Gewerbe verarbeitet werde“ (W. S. 124). „Ein reicher Boden (sei) hiernach ein Boden der viel, ein armer der wenig Mist producire. Darum also die Eintheilung in (Mist) schonende, aussaugende und bereichernde Gewächse. Da nun der Klee und die Luzerne-Arten die eigentlichen Mist erzeugenden Pflanzen seien, und der Mist die Seele der Landwirthschaft bilde, so komme Alles auf diese an.“

Die praktischen Lehrer haben, wie man sieht, das schwierigste aller Gewerbe, welches mit den zusammengesetzten Maschinen, mit organischen Wesen, seine Produkte erzeugt, und in seinem Betrieb abhängig von Einflüssen ist, die keine menschliche Macht beherrscht, auf die möglichst einfache, dem dümmsten Bauernjungen verständliche Grundlage zurückgeführt, auf die Misterzeugung durch Futtergewächse.

Und zu welchen Erfolgen hat denn diese treffliche Lehre, dieses Wählen nach Mist geführt? Klar und deutlich erkennt man den gegenwärtigen Zustand unserer Felder an der folgenden Klage und Bitte, welche eben so viel Rührung als Mitleid erweckt:

Würde uns die Naturwissenschaft Mittel an die Hand geben, diese Gewächse (Klee, Luzerne, Esparsette) öfter auf der selben Stelle mit gleichbleibendem Erfolg bauen zu können, als dies nach den gegenwärtigen Erfahrungen der Fall ist, so wäre der Stein der Weisen für die Landwirthschaft gefunden, denn für die Umwandlung derselben in dem menschlichen Bedürfnisse entsprechende Formen wollten wir schon sorgen.“ (W. S. 127.)

Dies ist also der Erfolg der Lehre dieser weisen, fürsichtigen und klugen Männer, welche behaupten, dass die fruchtbaren Felder an den mineralischen Nahrungsmitteln der Pflanzen unerschöpflich seien!

Um Mist zu schaffen ist also die Wissenschaft gut genug; lernen wollen sie von ihr nichts, nur ein kleines Stückchen von dem Stein der Weisen wollen sie haben. Dann wollen uns diese erfahrenen Leute, die sich mit so viel Bildung, Chemie, Geologie, Botanik etc. vollgepfropft haben, Fleisch und Brod in Fülle schaffen, was dann jeder simple Bauernknecht kann, wenn wir ihm nur Mist geben. Darum also wurde der kleine „Japhet, der seinen Vater sucht“, das arme Kind, genannt „Mineraltheorie“, so arg verfolgt, misshandelt und lächerlich gemacht, weil es meinte, auch der grösste Beutel würde leer, wenn man immer herausnimmt ohne wieder hinein zu thun. Wer konnte aber auch vor zwanzig Jahren daran denken, als man Mist genug hatte, dass es diesen störrigen, eigensinnigen Futterpflanzen einmal einfallen könnte, keinen Mist mehr produciren, den Boden nicht mehr schonen und bereichern zu wollen! An dem Boden liegt es natürlich nicht; sie lehren ja, dass er unerschöpflich sei, und die, welche jetzt

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 413. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_413.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)