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geeigneten Beschaffenheit enthält, als Verwitterungsboden noch auf seiner ursprünglichen Stelle liegt, so enthält auch die unten liegende Gebirgsart die gleichen mineralischen Nahrungsmittel wie der Boden und Untergrund im gleichen Verhältnisse.

„Wenn wir dem Boden durch die Ernte seine Bestandtheile entziehen, so nimmt sein Volum ab, und die Atmosphärilien kommen der Gebirgsart dadurch näher. Verwittert die Gebirgsart in gleichem Maass, so wie wir oben dem Boden seine Bestandtheile entziehen, so werden wir demselben ohne Ersatz der mineralischen Nahrungsmittel so lange Ernten entziehen können, bis dieselben im Boden und in der Gebirgsart aufgezehrt sind.

„Angenommen ein Hectare Feld wiege 4½ Millionen Kilogramme, und enthalte 10 Procent von den mineralischen Nahrungsmitteln der Weizenpflanze im richtigen Verhältniss und in aufnehmbarem Zustande, so könnte ein solcher Acker ohne Zuschuss 1829 Getreideernten hervorbringen; eine reine Dreifelderwirthschaft könnte 2742 Jahre ohne Wiederersatz von Mineralstoffen existiren; wäre die Gebirgsart beim Beginn der Wirthschaft, wie dies bei der Mehrzahl derselben der Fall ist, schon auf mehrere Fuss tief verwittert, so hat die Dreifelderwirthschaft für je einen Fuss Tiefe Aussicht noch weitere 2742 Jahre zu existiren. Nach dieser Zeit wird aber die Gebirgsart unter dem Untergrund wohl auch wieder verwittern, und so ist so lange Aussicht zur Fortführung der Wirthschaft, bis die den Boden bildende Gebirgsart gänzlich verwittert und die Nahrungsbestandtheile verzehrt sind. Dann liegt aber wieder eine andere Gebirgsart unter ihr etc.

„Dadurch, dass wir dem Boden alljährlich Aschenbestandtheile entziehen, nimmt sein Volum ab. Die Landwirthe halten aber ihre Ackerkrume gleich tief, und holen vom Untergrund eine gleiche Masse Boden wieder herauf. Wenn alle mineralischen Nahrungsmittel in dem angenommenen Boden aufgezehrt sind, so haben wir 10 Procent aus dem Boden verloren, und 10 Procent aus dem Untergrund gehoben. Diese gehobene Masse enthält aber nur 10 Procent mineralische Nahrungsmittel, es wird daher nur 1/10 der entzogenen Stoffe ersetzt, die übrigen 9/10 sind Ballast, die zweite Periode der angeführten Dreifelderwirthschaft würde also nicht 2742 Jahre, sondern nur den zehnten Theil, 274 Jahre, dauern; und nach mehreren solcher Perioden wäre das Feld erst erschöpft. Am Ende bliebe nichts als unauflösliche Kieselerde und Thon zurück. Um die Fruchtbarkeit dieses Bodens von mineralischer Seite her zu erhalten, müsste man nun dem Boden die entzogenen Aschenbestandtheile wieder zuführen, oder den Ballast, der auf dem Untergrund liegt, entfernen. In dieser Operation hilft uns die Natur nach, indem der Boden, je nach seiner mehr oder weniger geeigneten Lage, alljährlich abgeschwemmt wird.

„Endlich kommt in Beziehung auf den Ersatz an den Mineralstoffen dem Boden noch zu gut, dass selbst Regen und Wind ihm mineralische Bestandtheile zuführen.“

So dürfte sich der nach kürzerer oder längerer Zeit nöthige Wiederersatz der durch die Ernten entzogenen Bodenbestandtheile, bei einem Boden, wie wir ihn angenommen haben, auf Jahrtausende erstrecken,

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 409. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_409.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)